Hintergrundwissen "Storytelling"

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Storytelling in Kurzform

Was ist Storytelling?
Der Begriff "Storytelling" bedeutet auf deutsch ganz einfach "Geschichten erzählen“. Hier wird jedoch nicht einfach nur eine Geschichte erzählt, die der reinen Unterhaltung gilt. Vielmehr ist Storytelling eine regelrechte Methode, die insbesondere im Marketing und Selbstmarketing sowie in der Mitarbeiterführung und in der Psychotherapie angewandt wird. Darüber hinaus gibt es weitere Bereiche (z.B. Bildungs-, Erziehungs- und Schulwesen), in denen Storytelling - mehr oder weniger bewusst - als Methode zum Zwecke unterschiedlicher Zielsetzungen genutzt wird.

 

Storytelling als Methode
Storytelling ist eine Methode, mit der entweder Wissen oder eine Botschaft unterschwellig in Form einer Metapher beim Empfänger implementiert wird, wobei der Empfänger direkt oder indirekt (z.B. über seine Emotionen) in die Geschichte eingebunden wird, wodurch ein persönliches Involvement erreicht wird, das zu einer bestimmten Einstellung (z.B. im Marketing: Anerkennung und Wertschätzung eines Produktes oder einer Marke) und zu einem bestimmten Verhalten (im Marketing: Kaufverhalten z.B. Kaufentscheidung und Markenbindung) führt.

Storytelling: Die Erkenntnis

Die grundlegende Erkenntnis

Hinter Storytelling steht erst einmal die grundlegende Erkenntnis, dass eine lebendig erzählte Geschichte mit einer bestimmten Erzählstruktur einfach leichter die Aufmerksamkeit und Konzentration von Menschen gewinnt als eine sachlich-nüchterner Vortrag, in dem erklärt und argumentiert wird.

Die besondere Erkenntnis
Vielmehr wird durch Storytelling etwas im Gehirn der Leser und/oder Zuhörer bewegt, wobei insbesondere das Motiv- und Emotionssystem im Gehirn angesprochen wird und ein persönliches Involvement erreicht wird. Die Zuhörer oder Leser versuchen intuitiv, allein über den Handlungsverlauf und die beschriebenen bzw. regelrecht gefühlten Auswirkungen des Handelns den Sinn zu erfassen und die darin enthaltene Weisheit bzw. Botschaft zu verstehen. Hier geht es jedoch weniger um das logische Verstehen - als vielmehr um das intuitive Verinnerlichen und Internalisieren der Botschaft. Dabei soll die Story stets im Unbewussten weiter wirken.


Der Vorteil
Im Vergleich zu Sach-Informationen haben lebendig erzählte emotionsgeladene Geschichten mit Identifikations-Charakter den Vorteil,

 

a)  verständlicher zu sein,

b)  stärker im Gedächtnis zu bleiben,

c)  eine Sinnhaftigkeit zu erzeugen,

d)  eine Logik (eigene Logik) aufzubauen,
e)  soziale Rollen (aus dem eigenen (Umfeld) zu erkennen (bzw. wiederzuerkennen) 
f)  darin seine eigene Identität wiederzufinden (oder erstmalig zu finden),
g)  sich in bestimmten Situationen intuiv an die "Botschaften" zu erinnern,
h)  Gefühle nachzuerleben,
i)   bei Urteils- und Entscheidungsprozessen intuitiv auf die im Gehirn
     verankerten Informationen und Gefühle zurückzugreifen und
j)   selbst so zu handeln wie die Botschaft der Story es vermittelt hat.

Rollen - Handlungen - Identifikation

Storytelling: Märchen

Bereits die Gebrüder Grimm und andere Märchenautoren verstanden es vortrefflich, ihre Botschaften (Lehrbotschaften, Moralbotschaften) derart zu verpacken, dass sie einem auch noch nach vielen Jahrzehnten im Gedächtnis haften bleiben. Das geschieht über die jeweils handelnden stereotypen Figuren, durch die Erzählform (mit entsprechendem Spannungsbogen) und das Erzeugen von persönlichem Involvement, bei dem der Leser oder Zuhörer selbst unmittelbar emotional in das Geschehen involviert wird, wodurch die Geschichte selbst weniger wichtig wird als die darin versteckte Botschaft.

 

 

Storytelling: Identifikation
Um in Bezug auf die Wahrnehmung und Verarbeitung eingehender Reize ein persönliches Involvement zu erreichen, bezieht sich das Grundmuster der Storys in der Regel auf Personen und Umstände mit konkretem Vorstellungs- und Identifikations-Charakter. Stereotype eignen sich besonders gut. Oft stammen die handelnden Personen aus der unmittelbaren Lebenswelt der Leser und/oder Zuhörer, manchmal ist es aber auch einfach nur eine interessante Lebensgeschichte z.B. eine Erfolgs-Story mit Vorbildfunktion und mit Identifikations-Charakter. Wichtig ist, dass die Story fühlbar ist. Sie soll nicht nur oberflächlich wahrgenommen werden, sondern quasi "unter die Haut gehen" und zu einer scheinbar echten eigenen Lebenserfahrung werden.

Storytelling als Methode

Storytelling als Methode der Problemlösung
Storytelling wird nicht nur zur Unterhaltung und zum Zweck des Lernens bzw. des Wissenserwerbs (Vermittlung von Wissen und Lebenserfahrung, Versteckte Vermittlung von Sachinformationen sowie von Normen und Werten) genutzt, sondern auch als Methode zur Problemlösung (in der Menschenführung, in der Pädagogik oder in der Psychotherapie) eingesetzt. Durch Storytelling können z.B.:

- eigene Verhaltensmuster bewusst gemacht werden,
- Denkprozesse eingeleitet werden,
- Rollenerwartungen definiert werden,
- Möglichkeiten der Verhaltensänderung aufgezeigt und angeregt werden,
- die Vorstellungskraft (= Phantasie) angeregt werden,
- Motivation erzeugt und zum Handeln angeregt werden,
- Hoffnung geweckt werden und
- der Sinn des Lebens gefunden werden
- die eigene Rolle gespiegelt oder entdeckt werden

 

 

Storytelling als Methode in der Psychotherapie
Der US-amerikanische Psychiater Milton Erickson nutzt z.B. Anekdoten, um mit deren Hilfe psychotherapeutische Inhalte zu vermitteln. Dabei geht es darum, bestimmte Botschaften - am bewussten Denken vorbei - im Unbewussten zu verankern, damit sie dort weiter wirken und weitere Prozesse intuitiv in die gewünschte positive Richtung beeinflussen. Darauf basiert auch die sogenannte "Erickson'sche Hypnotherapie", in der Metaphern und Parabeln eingesetzt werden, um therapeutische Veränderungen zu initiieren.

 

 

Storytelling als indirekte Methode

in der Psychoanalyse und im Personalwesen
Auch in der Psychanalyse wird Storytelling - wenn auch indirekt - genutzt: Hier ist es jedoch der Klient bzw. Patient, der von sich und seinem Leben erzählt und dabei auch Dinge preisgibt, die bislang unterdrückt und im Verborgenen blieben. Der gleiche Effekt wird - mehr oder weniger bewusst und professionell - von Personalentscheidern in Vorstellungsgesprächen genutzt. Allein die Story, die der Bewerber erzählt, wenn er im Vorstellungsgespräch gebeten wird, etwas über sich zu erzählen spricht Bände über ihn, seine Persönlichkeit, seine Motive, seine Emotionalität, seinen Sachverstand, seine Intelligenz, seine emotionale Intelligenz, seine Sozialkompetenz und seine persönliche Einstellungen zur Arbeit, zur angestrebten Tätigkeit sowie zur konkreten Position und zum Unternehmen. Wer gelernt hat, zuzuhören und hinzuhören und ebenso gelernt hat, was die Story und ihre Inhalte in Bezug auf Charakter und Einstellungen in psycholinguistischer und psychoanalytischer Hinsicht bedeuten, erfährt wesentlich mehr als wenn er einfach nur die verbleibenden Informationen der Sachebene betrachtet.

 

Professionell nachgefragt und abgeglichen, ergibt sich ein in sich schlüssiges Bild, das den offiziellen psychologischen Nachtestungen in der Regel entspricht. Dies funktioniert jedoch nur wenn Wahrnehmungsfehler tunlichst vermieden bzw. reduziert werden. Der Glaube an die eigene Menschenkenntnis muss dabei jedoch ebenso vermieden werden wie die Anhaftung an implizite Persönlichkeitstheorien. Als professionelle Maßnahme der Eignungsdiagnostik nutzt u.a. das sogenannte ib reality view & proof concept u.a. derartige Techniken der Psycholinguistik und Psychoanalyse. Auch bei den bereits vorhandenen Beschäftigten in Unternehmen wird Storytelling in Form von Mitarbeiter-Erzählungen genutzt, z.B. um Auskünfte und Hinweise auf Mängel zu erhalten, die sonst im Verborgenen bleiben. Auch in der professionellen Unternehmens- und Mitarbeiterführung arbeitet man mit Storytelling: Hier geht es darum, bei den Mitarbeitern Ressourcen zu wecken, bestimmte Werte zu vermitteln und eine bestimmte Unternehmenskultur zu vermitteln.

 

 

Storytelling als Methode im Marketing & Selbstmarketing
Darüber hinaus stellt Storytelling ein wichtiges Instrumentarium im Marketing und Selbstmarketing dar. Dem Storytelling geht im Marketing und Selbstmarketing stets eine Storybildung (Storybuilding) voraus.


Eine derartige Storybildung, bei der eine ganz bestimmte zielgruppenspezifische Geschichte (Legende) rund um ein Produkt, eine Marke oder eine Person konstruiert wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Markenbildung und sogar ein unverzichtbarer Bestandteil der persönlichen Markenbildung (Personal Branding / Human Branding).

 

Storytelling hilft ganz wesentlich, um entsprechende Marken zu etablieren. Storytelling gibt nicht nur sachlichen Produkten eine emotionsgeladene Hintergrundgeschichte und haucht ihnen Lebendigkeit und Persönlichkeit ein: Storytelling ist auch ein wichtiger Bestandteil der Markenbildung in Bezug auf die Marke ICH.

 

Bei Storytelling im Marketing geht es um die Verankerung von Botschaften, die zu einer bestimmten Einstellungs- und Verhaltensdisposition führen und damit zu bestimmten Wertschätzungen, Kaufentscheidungen und Kaufhandlungen. Ohne Botschaften, die über eine passende Story die Marke mit Leben füllt, wäre die Marke nur halb so viel oder gar nichts wert - allein schon deshalb, weil ihr die Sinnhaftigkeit fehlt und keine Vorstellung darüber im Kopf zu Grunde liegt.

 

Auch geht es darum, dass Marken-Botschaften im Gedächtnis haften bleiben und jederzeit wieder hervorkommen. Botschaften werden daher in passende Geschichten eingehüllt, die den Kern der Aussage immer wieder auf den Punkt bringt.


 

Storytelling: Selbstmarketing-Methode bei Castings /
Die Zielgruppe kennen und verstehen

Storytelling wirkt - vom Wirkungsprinzip her - angesichts bestimmter Konsumentenkreise bereits viel einfacher und unkomplizierter als es von der Strategie her eigentlich ganzheitlich beabsichtigt und tatsächlich möglich ist: Bei einer Casting Show mit Zuschauer-Votings geht es nämlich nicht etwa darum, Kernaussagen langfristig immer wieder aufs Neue ins Gedächtnis zu rufen.

 

Allein eine einzige herzzerreißende Story in Bezug auf echte oder angebliche menschliche Schwächen eines Kandidaten (z.B. in Bezug auf missglückte Liebe, eine aktuelle oder frühere Krankheit, der Tod eines lieben Angehörigen oder Erfahrungen in Bezug auf sozioökonomischen Misserfolg) reichen aus, die Herzen der Fans höher schlagen zu lassen und ihrem Wunsch-Kandidaten über entsprechende Votings tunlichst den Sieg zu ermöglichen - und das unabhängig vom tatsächlichen Talent.

 

Talentiertere Mittbewerber, die zu gut wirken, haben hier angesichts so mancher Zuschauer-Zielgruppe von vorne herein wenig bis keine Chancen. Wer angesichts mancher Zielgruppen zu gut oder zu schön ist, "fliegt raus" oder bekommt (z.B. in der Politik) ein echtes Problem, notfalls eines angehängt, den Fehler findet man immer - und selbst der kleinste Fehler wird dann von der Konkurrenz oder der Gegenpartei schnell zu einer wahnsinns Story aufgebauscht, die viralmarketingmäßig ihre vernichtenden Kreise zieht. Bei dem einen werden ein paar fehlende Quellenangaben in der Doktor-Arbeit dann zu einem "vorsätzlichen Betrug", der andere findet sich in einer Schweizer Badewanne wieder.

 

Storytelling lässt Menschen zu Fans (Fanatikern) werden und (aufgrund selektiver Wahrnehmung und völliger Verzerrung der Skalierung) geradewegs "erblinden". Storytelling, bei dem sich die Zielgruppe mit der Marke - und auch mit einer personifizierten Marke - identifiziert und zudem emotional involviert wird (Involvement), führt im Nebeneffekt zu Ablehnern und Neidern, im Haupteffekt aber eben auch zu regelrechten Fans, die sich unglaublich engagieren, wenn es darum geht, IHRE Marke, die zu "den Guten" gehört - und damit (gefühlsmäßig) sich selbst zu fördern - auch, um aufgrund des Polarisierungs-Effektes vermeintlich "böse" Mitkonkurrenten möglichst "blass aussehen" zu lassen.

Vor dem "Apple-Shop" stehen dann beispielsweise bereits am Vorabend der Neuerscheinung des neusten iPhones kilometerlange schmachtende Schlangen bzw. "Menschentrauben", um sich ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen bzw. ihr eigenes Ego zu befriedigen. Das gilt auch für die erhöhte Wertschätzung: Um sich quasi selbst über die "Apple-Story" (im Vergleich zur Story des dümmlich angepassten Massenkonsums) als intelligenterer Individualist im zu spiegeln, sind die Fans nicht nur bereit, Entbehrungen auf sich zu nehmen und ggf. auf bestimmte Tools und Services zu verzichten - sie sind sogar bereit, einen höheren Preis dafür zu bezahlen als ihnen dies irgendein Wettbewerber abverlangen würde.

Storytelling: Erfolgs-Storys

Erfolgs-Story "Apple"

Wo wir gerade bei "Apple" waren: Die Erfolgs-Story von "Apple" kennt jeder, der Apple liebt, kauft und weiterempfiehlt.


"Im Reich des "iGod" schreibt der Stern und beschreibt die Story so: "Dies ist die Geschichte einer Verführung. Steve Jobs hat aus einem kleinen Computerbauer die am meisten bewunderte Marke der Welt gemacht. Wie schafft er es, dass sich Millionen Menschen in Telefone und Rechner verlieben? Und wer ist der Mann, den seine Anhänger als "iGod" verehren?"

 

Welche Schuhgröße, der mittlerweile im Alter von 56 Jahren verstorbene Apple-Gründer hatte, wissen wir nicht. Was reicht ist, dass wir ihn kennen und dass er selbst eine personifizierte Marke (siehe Personal Branding / Human Branding) mit einer Story ist, die Apple geradewegs zum Mythos stilisiert - und das selbst nach seinem Ableben, daher der Präsenz.

 

Wichtig ist die Story, die wohl jeder Apple-Fan kennt. Bild vom 29.01.2015:

 

"Alles begann 1972. Steve Jobs hat die Uni in Portland geschmissen und kehrt frustriert in die kalifornische Kleinstadt...zurück. In der Garage des Hauses seiner Eltern bastelt er mit seinem Freund...allerlei Elektronik, optimiert etwa Videospielmaschinen für Atari. Drei Jahre später bauen und verkaufen die beiden ihren ersten eigenen PC: den Apple I. Er steckt in einem Holzgehäuse, wird...von Hand gelötet und kostet 666,66 Dollar. Die Geburt einer Legende!"

 

Dann geht es weiter: "Die Apple-Vision: ein Computer für alle Menschen. Während IBM den PC als Arbeits-Maschine vermarktet, setzen Jobs und Wozniak auf Benutzerfreundlichkeit: Der Macintosh ist der erste Computer, der bequem per Maus und über eine grafische Oberfläche gesteuert wird." 

 

Eine tolle Story - der bittere Rest wird da fast gar nicht mehr wahrgenommen. Bild vom 29.01.2015: "Jobs verlässt 1985 enttäuscht die Firma. Sein Credo „Warum sollte man in die Marine gehen, wenn man auch Pirat sein kann?“ passt nicht in einen Konzern, der von Managern, nicht von Träumern geleitet wird."

 

Letztendlich entscheidend ist: Laut Bild vom 29.01.2015 hat Apple
"...von Oktober bis Dezember vergangenen Jahres 18 Milliarden US-Dollar (rund 16 Milliarden Euro) Gewinn gemacht, so viel wie kein Unternehmen jemals zuvor! Zum Vergleich: Deutschlands größte Firma Volkswagen machte im letzten Berichtsquartal 2,8 Milliarden Euro"

 

Fakt: Mit der richtigen bzw. zielgruppenspezifischen Story hat - richtig platziert - müssen sich Mittbewerber "warm anziehen". Bei Castings und ähnlichem ist es noch gravierender: Dort hat kein Mittbewerber mehr eine vergleichbare Chance, wenn seine Story keine oder weniger zur Zielgruppe passende Emotionen weckt, mit der sich die Zielgruppe identifizieren kann - selbst dann, wenn die Konkurrenz messbar besser und günstiger wäre.

 

 


Storytelling: Erfolgs-Story "Aldi"
Wo wir gerade bei "günstiger" waren: Wer an günstige Preise denkt und hier sein Motiv wiederfindet, der denkt zuerst an Aldi und eben nicht an die (eventuell noch günstigere) Konkurrenz. Aber auch die schiebt nach: "Erst mal zu Penny!" Eine Story wie die von den angeblich "geizigen" Aldi-Brüdern fehlt jedoch. Daher regieren Sie (u.a. laut Manager-Magazin vom 04.12.2003) "im Reich der Billig-Supermärkte" "als die ungekrönten Discount-Könige".

Dahinter steht eine regelrechte Erfolgsgeschichte, welche die Menschen kennen, zumindest jene, sich sich selbst im Hinblick auf Preise "geizig" finden und sich hier selbst unter Gleichgesinnten, ja sogar unter Freunden wiederfinden. Schlangen und Geschiebe an den Kassen gehören dabei ebenso zum bestätigenden Ego-Involvement wie eine bestimmte (zmindest subjektiv wahrnehmbare) Gleichgültigkeit im Hinblick auf Ausstattung und Service.

 

Dahinter steckt jedoch - wie auch anderswo - mit hoher Wahrscheinlichkeit eine konkrete zielgruppenorientierte Strategie. Wenn nicht, dann kommt zumindest jetzt die Erleuchtung darüber, dass die vielleicht unbewusste Strategie aufging. Auch das, was auf den Laien vielleicht nicht gerade "kundenorientiert" wirkt, ist jedoch genau das, was es in Wirklichkeit ist: Kundenorientierung. Dieser Begriff wird oft missverstanden und fehlinterpretiert. Kundenorientierung bedeutet nicht Service und Freundlichkeit, sondern das zu den Motiven der meisten Ziel-Kunden eben Passende bzw. die Kunden in ihrer Vorstellung Bestätigende. Genau das führt wie bei jedem effektiven Marken-Branding natürlich auch zu entsprechenden Ablehnern und ebenfalls zu Neidern.

 

Die Story von Aldi erzählt von der "Ruhrpott-Variante des amerikanischen Traumes", so das Manager-Magazin vom 04.12.2003. In dieser Story gibt es - wie in typischen Märchen - "zwei Brüder", die "in einfachen Verhältnissen" aufwuchsen. Wie im Märchen gibt es einen jüngeren und einen älteren Bruder. Auch hier ist für jeden etwas dabei. Dass der Altersunterschied zwischen den beiden lediglich zwei Jahre beträgt, ist dabei unerheblich. Immerhin gibt es "den Alten" und "den Jungen". Der eine heißt "Karl Albrecht", der andere ganz locker "Theo", was von Theodor abgeleitet ist.

 

Die Story geht weiter wie bei vielen anderen Menschen, die "das Geld eben nicht auf der Straße finden", sondern - wie die Aldi-Kunden auch - eher "hart dafür arbeiten" müssen. Dazu das Manager-Magazin: "Der Vater, ein ehemaliger Bergmann, verdingt sich als schlecht bezahlter Bäcker in einer Brotfabrik, nachdem er sich "unter Tage" eine Staublunge zugezogen hat. Die Mutter unterhält im Essener Arbeiterviertel Schonebeck einen kleinen Lebensmittelladen." Auch hier finden sich viele Aldi Kunden wieder.

 

Dann geht es weiter in Sachen Bodenständigkeit:

"Besuch der Mittelschule, ordentliche Lehre, Krieg und Entbehrung. Dann die Geschäftsidee: "Im Gegensatz zum...gewährten die Brüder den Preisnachlass sofort...Außerdem verkaufte man Butter zu Niedrigstpreisen. Der Legende nach mussten die Angestellten die begehrte Ware jeden Abend in den Keller tragen. Die Brüder Albrecht waren zu geizig, um sich Kühltheken anzuschaffen."

 

Was hier erst einmal etwas "gemein" und "geizig" klingt, ist jedoch eine Story, die zu den Motiven der Zielgruppe passt - und dazu eben eine echte und wahre Erfolgs-Story. Artikel im Manager-Magazin vom 04.12.2003 unter www.manager-magazin.de

Storytelling in Politik & Gesellschaft

Auch in der Politik werden Storytelling und Legendenbildung genutzt. Hier geht es nicht nur z.B. darum, einen Politiker, eine Partei sowie politische Absichten und Entscheidungen in einem guten Licht stehen zu lassen und in den Köpfen der Bürger und Wahlberechtigten zu etablieren, sondern auch darum, politische Absichten mit ggf. negativen Auswirkungen zu verschleiern und/oder zu rechtfertigen.

 

Die sogenannte "Dolchstoßlegende" ist dafür ein passendes Beispiel. Dabei handelt es sich um eine von der obersten deutschen Heeresleitung in die Welt gesetzte Verschwörungstheorie, welche die Schuld an der deutschen Kapitulation  ausschließlich "vaterlandslosen" Zivilisten aus der Heimat, insbesondere den "Sozialdemokraten" zuschrieb, die quasi einen "Dolchstoß von hinten" führten, während das deutsche Heer "im Felde unbesiegt" geblieben sei. Antisemiten verknüpften die Beschreibung "innere" und "äußere Reichsfeinde" dann zusätzlich noch mit dem Begriff des "internationalen Judentums". Die bei den meisten in den Gehirnen verankerte Dolchstoßlegende war mit dafür verantwortlich, dass sich die Nationalsozialisten so erfolgreich etablieren konnten.

 

Als weiteres Beispiel sei die Legendenbildung der Nationalsozialisten von der sogenannten "arischen Rasse" genannt, mit der angeblich überlegene genetische Merkmale und eine bestimmte Kultur einhergeht, die teilweise erfunden, teilweise von Völkern Nordeuropas kopiert wurde. Basis dafür bildet die Theorie von der überlegenen "Herrenrasse", die typisch deutsch sei. In Wirklichkeit basiert diese Legende auf einer veralteten idealisierten Theorie, die durch einen phantastischen Roman gestützt und passend ausgelegt wurde. In Wirklichkeit gehen die Arier auf eine Kultur bzw. einen Völkerstamm im Iran und in Indien zurück. Aber wen hat das damals interessiert? Die Story passte genau dorthin, wo sie den passenden Nährboden fand: Das angekratzte Selbstwertgefühl aufgrund des kollektiven Versagens.

 

Wenn derartige Informationen überall abrufbar sind, kommen die wenigsten Menschen auf die Idee, selbst zu recherchieren - sie hätten zudem wenig Chancen gehabt, anderen ihre Erkenntnis glaubhaft zu vermitteln, geschweige denn, sich gegen die breite Masse, die neue Ideologie und das Regime, das dies alles vehemt vertritt, auch nur annähend durchzusetzen. Ähnlich ist das, wenn im Jahre 2015 jemand die Ansicht bzw. Erkenntnis vertritt, dass z.B. der angebliche Fachkräftemangel lediglich auf einem Definitionsproblem basiert, die als mittlerweile als Norm geltende Flüchtlingspolitik in Frage stellt oder die Griechenland-Hilfe hinterfragt.

 

Insbesondere wissenschaftliche Vertreter, die mit Zahlen und Negativ-Prognosen aufwarten sowie führende Staatspolitiker, die in anderen EU-Ländern eine derartige Politik eben nicht befürworten, sondern vehement kritisieren, versucht man politisch (wozu natürlich auch die angeblich unpolitischen Medien zählen) zu meiden. Und wenn sie doch auf irgendeinem subtilen Schleich-Weg ihren Platz in einer Talk Show fänden, würden sie gewiss sofort als sogenannte "Volksverhetzer" dem gerade passenden "Schwarz-weiß-Schema" zugeordnet, in die radikale Ecke gedrängt und geächtet. Auch wenn wir meinen, dass eine moderne Demokratie eigentlich das Gegenteil von dem vertritt, was früher einmal war (z.B. im Nationalsozialismus des sogenannten Dritten Reiches) und ebenfalls das Gegenteil anstrebt, so muss man leider feststellen, dass sich auch in einer modernen Demokratie über Story- und Legenbildung immer mehr Einstellungen und Verhaltensmuster etablieren, die vom Grundgesetz eigentlich abgelehnt werden. 

 

Das war aber auch bereits früher der Fall z.B. in der Zeit des "Kalten Krieges". Auch hier mussten Aufrüstungs-Befürworter Storys und Legenden finden, die ihre Absichten und ihr Handeln rechtfertigen. Auch hier wurden Feindbilder aufgebaut und negativ stilisiert. Beispiele für Legende- und Storybildung aus der aktuellen Neuzeit sind schier unerschöpflich. Sie gehen mit Botschaften einher wie "Deutschland ist ein Einwanderungsland, das zum Zwecke der kulturellen Reichhaltigkeit, zum Erhalt der Rentenversicherung und wegen Fachkräftemangels unbedingt qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland benötigt" aber auch mit Legenden zum regelrechten Aufbau pauschalisierter stereotyper Feindbilder und deren pauschaler Ächtung.

 

Durch derartige Maßnahmen fällt es der Politik einfacher, Kritik an unangenehmen Entscheidungen in eine bestimmte Richtung zu lenken, zu kriminalisieren und dadurch fast "mundtot" zu machen wie dies früher Begriffe wie "das internationale Judentum" es bereits taten sowie die Legende, die dazu eigens geschaffen und glaubwürdig verbreitet wurde.

Storytelling im Film & via Film

Storytelling als Methode des Propagandafilms
Storytelling basiert auf Geschichten, die erzählt oder über die Medien transportiert werden. Zur Zeit des Nationalsozialismus war es u.a. die Geschichte vom "Jud Süß", die z.B. den Antisemitismus als Botschaft hatte. Der nationalsozialistische Propagandafilm von Veit Harlan aus dem Jahr 1940 wurde dafür eigens von der nationalsozialistischen Regierung in Auftrag gegeben. Die Hauptfigur des Films ist an die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer (1698 – 1738) angelehnt.

 

Dass der echte Joseph Süß Oppenheimer den überlieferten Quellen nach lediglich ein "Sündenbock" war, der für "die Verfehlungen des Herzogs" büßen musste, wird dabei einfach weggelassen. Das Weglassen, Hinzufügen und umdeuten bereits vorhandener Figuren und Geschichten zählt ebenso zum Storytelling wie die Konzeptionierung neuer Storys.

 

Ein weiterer nationalsozialistischer Film von Veit Harlan, der der PLatzierung von Botschaften des Storytellings diente (hier zur Etablierung der Durchhalteparole) war der Film Kolberg (1943 - 1944), der kurz vor Zusammenbruch des Dritten Reiches am 30. Januar 1945, dem 12. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung uraufgeführt wurde. Die unterschiedlichen Botschaften der Story des Propagandafilms sollten dazu dienen, in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges den Durchhaltewillen der Deutschen zu stärken.

 

Im besagten Propagandafilm ging es darum, dass Napoleons Truppen nach ihrem erfolgreichen Feldzug in Deutschland die Festung Kolberg besetzen und der Ortskommandant kapitulieren will. Der couragierte Bürgerrepräsentant Nettelbeck gibt jedoch nicht auf, organisiert Bürgerwehren und versucht, die gesamte Bevölkerung zum Kampf zu mobilisieren.


Neben Nettelbeck repräsentieren auch andere Figuren die passenden Botschaften (z.B. die Botschaft, sich für sein Land geradewegs aufzuopfern bzw. eigene Opfer zu bringen, auf Liebgewordenes zu verzichten). So brennt der aufopferungsvolle Bauer Werner aus strategischen Gründen seinen eigenen Hof nieder. Seine Tochter Maria verliebt sich in den heldenhaften Rittmeister Schill, muss aber auf ihn verzichten, da er neue wichtige Aufgaben für sein Land hat, die nun für alle Beteiligten klar vorgehen.


Als neuer besserer "vernünftiger" und "ehrbarer" Stadtkommandant wird der junge Major Gneisenau ernannt, der die Bevölkerung zum heldenhaften Kampf anfeuert. Selbst als die Franzosen die Festung mit schwerer Artillerie beschießen, gibt die Bevölkerung nicht auf und geht zuletzt aus dem End-Kampf schließlich als Sieger hervor, auch weil die französischen Generäle untereinander in einen Streit geraten.

NS-Propagandaminister Goebbels ordnete in einem Schreiben an Veit Harlan (vom 1. Juni 1943 den Film mit folgender Botschaft an: „...Aufgabe dieses Films soll es sein, am Beispiel der Stadt, die dem Film den Titel gibt, zu zeigen, daß ein in Heimat und Front geeintes Volk jeden Gegner überwindet. Ich ermächtige Sie, alle Dienststellen von Wehrmacht, Staat und Partei, soweit erforderlich, um ihre Hilfe und Unterstützung zu bitten und sich dabei darauf zu berufen, daß der hiermit von mir angeordnete Film im Dienste unserer geistigen Kriegführung steht.“

 

Mit einer Investion von 8,8 Millionen Reichsmark (Produktionskosten) wurde der Farbfilm zum teuersten Film dieser Zeit. Nach seiner Fertigstellung ließ Goebbels den Film erheblich kürzen, weil er angesichts der verheerenden Bombenangriffe auf deutsche Städte die aufwändigen Szenen, in denen Kolberger Bürger von der übermächtigen Artillerie Napoleons dahingemetzelt werden, dem deutschen Zuschauer nicht zumuten wollte.

 

 

Storytelling als Film & Werbefilm
Storytelling erfolgt auch in Filmen, die von heutigen staatlichen Sendern in Auftrag gegeben oder gefördet werden. Dabei beziehen sich die Botschaften stets auf das, was als entsprechend der gängigen gesellschaftspolitischen Moral- und Wertevorstellung vermittelt werden soll. Bei ehemaligen DDR Filmen wird diese Moral- und Wertevermittlung -angesichts des Blickwinkels von außen - besonders deutlich.

 

Dies fällt angesichts der anderen zeitlichen Perspektive auch bei heutiger Betrachtung älterer deutscher Spielfilme und - wegen des anderen kulturellen Blickwinkels - auch beim Betrachten ausländischer Filmproduktionen auf, insbesondere bei älteren asiatischen Filmen, bei neuzeitlichen indischen Bollywood-Produktionen oder bei älteren US-amerikanischen Spielfilmen. Vor allem findet man Storytelling in Form von Short Stories in kommerziellen Werbe-Filmen, in denen mehr oder weniger subtil entsprechende Marken-Botschaften und -Wertigkeiten vermittelt werden.

Transmedia Storytelling

Was ist Transmedia Storytelling?
Geprägt wurde der Begriff u.a. durch den Medienwissenschaftler Henry Jenkins (Professor an der University of Southern California), der in einem Blogeintrag aus dem Jahr 2007 Transmedia Storytelling als einen Prozess definierte, bei dem einzelne Bestandteile einer Geschichte - über mehrere Medienkanäle verteilt - erzählt werden, um ein koordiniertes Unterhaltungserlebnis zu erschaffen.

 

Im Prinzip geht es beim Transmedia Storytelling darum, den handelnden Figuren (eines Romans, eines Films oder eines Rollenspiels) ein "echtes Leben" einzuhauchen, in dem man die Entstehung, das Umfeld, die handelnden Charakteren und ihr Umfeld durch eine logisch erscheinende phantastische Hintergrundgeschichte in sich schlüssig darstellt und erklärbar macht. Bereits die Bibel und der Koran erzeugen eine in sich schlüssig erscheinende Geschichte mit entsprechenden Erklärungen im Hinblick auf einen logischen Zusammenhang. Damit erhalten die vermittelten Botschaften einen wesentlich glaubhafteren Charakter mit höherer Eindringlichkeit.



Transmedia Storytelling am Beispiel Tolkien
Der Schriftsteller JRR Tolkien ist für Transmedia Storytelling das wohl bekannteste Beispiel "JRR Tolkien's Lord of the Rings series is one of the most enduring works of literature, a linguistic masterwork that helped spawned the high fantasy genre."

Der britischer Schriftsteller und Philologe John Ronald Reuel Tolkien (03.01.1892 - 02.09.1973), ehemaliger Professor für englische Sprache an der Universität Oxford, hatte bereits in seiner Jugend an einer eigenen Mythologie gearbeitet, die ein eigenes phantastisches Weltbild detailliert umschreibt und damit für den Leser "logisch" erklärbar und nachvollziehbar macht. Für seine neu erfundene Welt bildete er einen nahezu perfekt schlüssigen Background, für den er sogar funktionstüchtige Sprachen und – ähnlich dem Alten Testament - eine Entstehungsgeschichte konstruierte, die zu Teilen sogar auf bereits bestehenden Mythologien basiert bzw. Fragmente bereits bekannter bzw. etablierter nordischer Legenden, Sagen und Mythen (inklusive einiger Namen der dort handelnden etablierten Figuren) übernimmt.


Eine solche Story in der Story sowie eine logisch plausible Legende ermöglicht es dem Zuschauer, die gezeigte Welt ebenfalls realer und glaubwürdiger empfinden zu lassen. Dadurch wird jeder Roman oder Film eindringlicher. Man ist tiefer drin und emotional stärker involviert.

 

 

Die Story in der Story
Es sind nicht nur bestimmte Filme oder Romane selbst, die Storytelling – mehr oder weniger methodisch bzw. manipulativ betreiben – Storytelling ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil von so mancher Roman- und Filmstory.


"Logan’s Run"
Der US-amerikanischer Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1976 unter der Regie von Michael Anderson basiert auf der gleichnamigen Romanvorlage von William F. Nolan und George Clayton Johnson. In Deutschland ist der Film unter dem Titel „Flucht ins 23. Jahrhundert“ bekannt. Hier geht es um Menschen einer futuristischen Wohlstandsgesellschaft, denen mittels einer Legende eine heile Welt der jugendlichen Frische ohne Kummer und Sorgen (z.B. durch Vergänglichkeit, Alter und Krankheit) vorgegaukelt wird. Die Welt, in der alle Menschen nur bis zum 27. Lebensjahr existieren dürfen, wird von einem strengen Kontrollsystem überwacht, das von einem vermeintlich allwissendem Großcomputer gesteuert wird.

 

Den Menschen, die unter einer Art Kuppel von der Außenwelt abgekapselt leben, wird mittels einer Story erzählt, dass auf der Außenseite ihrer Welt nichts (mehr) existiere. Ebenso wird für sie die Illusion erzeugt und aufrechterhalten, dass ihr Tod lediglich eine "Erneuerung" darstelle und diese "Erneuerung" zu den glücklichsten und damit  erstrebenswertesten Zielen gehöre. Natürlich ist es, verboten, das System zu hinterfragen. Das tut aber auch fast niemand, schließlich ist die Legende für die Menschen schlüssig. Für sie ist es IHRE reale Welt und eben kleine Illusion. 

 

Logan 5, ein sogenannter „Sandmann“, der dafür zuständig ist, anders denkende und das System hinterfragende Menschen, sogenannte "Läufer", die sich der "Erneuerung" entziehen wollen, zu eliminieren. Über eine Einschleusung in eine geheime Untergrundgruppe der Läufer, eine Flucht in den Untergrund der Stadt durch ein Labyrinth verfallener historischer Anlagen und eine Eishöhle oberhalb der Stadt (wo Logan und seine Gefährtin auf einen Roboter treffen, von dem sie erfahren, dass alle bisherigen Flüchtigen gemäß seiner uralten Programmierung eingefroren wurden), gelangen sie auf die Oberfläche und werfen nun einen Blick hinter der Fassade ihrer Illusion.

Hier finden sie (am Beispiel der von Pflanzen überwucherten Ruinen von Washington, D.C.) eine existierende Welt und einen alten Mann vor. Insbesondere durch die Existenz des alten Mannes (gespielt von Peter Ustinof) wird ihnen bewusst, dass die Altersgrenze ihrer Gesellschaft in Wahrheit willkürlich geschaffen worden ist (sie dient dem Zweck der regulierten Populationsbegrenzung innerhalb der künstlichen Stadt). Ebenfalls erkennen sie, dass es sich bei der Welt, in der sie leben, um ein künstlich geschaffenes illusionäres totalitäres System handelt, dass es in Wahrheit keine automatische Lebensbegrenzung gibt. Ebenfalls wird ihnen bewusst, dass die künstliche Begrenzung in Wirklichkeit keinen Sinn ergibt, da ein Leben außerhalb der Kuppelstadt jederzeit möglich wäre.

Was wird passieren, wenn Logan und seine Gefährtin nun in Ihre Welt zurückkehren und anderen von ihrer Entdeckung und Erkenntnis berichten? Werden die anderen ihnen glauben, dass es sich bei ihrer Welt in Wahrheit eigentlich um einen Irrsinn handelt, dem sie naiv nacheifern? Finden Sie es heraus und schauen Sie sich den Film einfach an!

 

"The Island"

Eine ähnliche Story in der Story hat der neuere US-amerikanischer Kinofilm "The Island" bzw. "Die Insel" aus dem Jahr 2005, der auf dem Roman "Spares" ("Geklont") von Michael Marshall Smith basiert. Auch hier leben die Hauptfiguren in einer künstlichen illusionären Welt mit einem eigenen System und einer eigenständigen Ideologie. Sie führen ein ordentliches, aber monotones Leben in einer sterilen Welt, wobei sämtliche Handlungen reglementiert und überwacht werden. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung sowie der eigentlichen Funktion dieser Scheinwelt, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine Zentrum für die Bestellung und Bereitstellung von Klone, wird den Personen, die eigentlich Klone anderer lebender Menschen außerhalb ihres abschirmten Großkonzerns sind, folgende Background-Story eingeimpft: 

 

Demnach gab es angeblich eine globale Epidemie, bei der alles Äußere lebensbedrohlich kontaminiert wurde. Die Welt bzw. Stadt, in der sie jetzt leben, dient dem Schutz vor der kontaminierten Außenwelt. Um den Glauben der Klone aufrechtzuerhalten, ihnen ein Lebensziel und Lebensmotiv zu geben und sie zum Zweck der Organ-Entnahme (und damit Tötung) ruhig und steuerbar zu machen, wird ihnen ihnen nicht nur die Legende von der verseuchten Erde vorgegaukelt, auf der es nur noch eine einzige erhaltene natürliche, unverseuchte Umgebung gibt ("Die Insel"), sondern diese natürliche, unverseuchte Umgebung auch als Zukunftsperspektive und Belohnung in Aussicht gestellt.

 

Um auf die sogenannte „Insel“ zu gelangen, haben die Bewohner die scheinbare Möglichkeit, an einer Lotterie teilzunehmen und hier als Gewinner hervorzugehen. Die Hoffnung, selbst irgendwann die Reise auf die Insel zu gewinnen, wird zu ihrem Lebensinhalt. In Wirklichkeit geht es bei der Lotterie-Auswahlentscheidung aber nicht um einen vermeintlichen Gewinn und die tatsächliche Reise auf "die Insel", sondern um den Antritt einer OP zur Organ-Entnahme für ihren Empfänger.


Die Story in der Story ermöglicht den Klonen den Glauben an die die Illusion. In Wirklichkeit ist die Erde weder verseucht, noch existiert eine "Insel". Die Welt, in der sie leben ist eine Ersatzteillager-Anlage, die zu einem Großkonzern gehört, der auf Bestellung Klone von Menschen züchtet und für Organtransplantationen bereitstellt. Zur Rechtfertigung des Konzerns ist dieser offiziell auf dem Gebiet der Organforschung tätig. Zu diesem Zweck erhält er von der Regierung finanzielle Unterstützung.


Denkanstoß
Transformieren wir die beschriebenen Storys der jeweiligen Storys doch einfach einmal auf unser eigenes Dasein. Gibt es vielleicht Parallelen? Welche Storys werden uns selbst überall verkauft? Wieviel davon ist Legende - wieviel ist real? Leben wir selbst mittlerweile etwa auch in einer regelrechten Illusion? Werden Illusionen aus ideologischen Gründen und/oder zu Marketingzwecken auch für uns künstlich aufgebaut? Was ist mit denen, die derartige Manipulationen erkennen und hinterfragen? Wird man Ihnen glauben?


Mehr dazu erfahren Sie im Kompetenzbereich Psychologie u.a. unter der Rubrik Wahrnehmungsfehler oder unter verschiedenen anderen Wissens-Themen z.B.:

Hintergrundwissen "Eigene Überzeugung", Hintergrundwissen "Glaube", Hintergrundwissen "Trugwahrnehmungen", Hintergrundwissen "Überlegenheitsillusion / Überlegenheitsfehler, Hintergrundwissen "Kontrollillusion", Hintergrundwissen "Wahn", Hintergrundwissen "Einsicht & Einsichtsfähigkeit", Hintergrundwissen "Neuroselling", Hintergrundwissen "Manipulation",

Hintergrundwissen "Gesellschaftliche Manipulation", Hintergrundwissen "Täuschung", Hintergrundwissen "Fehler aufgrund falscher Grundannahmen", Hintergrundwissen "Heile Welt Naivitätsfehler", Hintergrundwissen "Wahrnehmungsfehler aufgrund einer bestimmten Gesinnung", Hintergrundwissen "Sozialer Einfluss / Soziale Einflussnahme", Hintergrundwissen "Vernunft & Verstand", Hintergrundwissen "Naivität", Hintergrundwissen "Der Dummie Effekt" usw.

Storybuilding (Storybildung)

Dem Storytelling geht im Marketing und Selbstmarketing stets ein Storybuilding (Bildung bzw. Konstruktion einer Story voraus. Eine derartige Storybildung, bei der eine ganz bestimmte zielgruppenspezifische Geschichte (Legende) rund um ein Produkt, eine Marke oder eine Person konstruiert wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Markenbildung und sogar ein unverzichtbarer Bestandteil der persönlichen Markenbildung (Personal Branding / Human Branding).


Sofern die konstruierte Story "den Nerv" der Zielgruppe trifft und eine Identifikation bzw. ein persönliches Involvement erzeugt, führt sie über sich manifestierende Einstellungen und Wahrnehmungen zu verstärktem Engagement in Richtung der vom Marketing angestrebten Handlungen.   

Legendenbildung & Gerüchteküche

Eine besondere Form des Storybuildings ist die Legendenbildung, bei der ein logisch-plausibler Hintergrundrahmen (emotionaler Background) für ein Produkt, eine Person oder eine Marke konstruiert wird. Eine derartige Legende trägt auch dazu bei, bestimmte Gerüchte in die Welt zu setzen bzw. in Umlauf zu bringen (sogenannte "Gerüchteküche" oder "Klatsch"). Durch sogenannte Gerüchte kommen bestimmte Informationen in Umlauf, die der Informations- und Meinungsbildung dienen.

 

Was sind Gerüchte? In die Welt gesetzt, wird ein Gerücht initial mit einer bestimmten Tatsachenbehauptung oder einer geäußerten These, die möglichst provokant ist, das Schamgefühl anspricht, zu Entrüstungen führt, Diskussionen anregt usw.

 

Je mehr Aufmerksamkeit erregt wird und je mehr eine Nachricht oder Behauptung die Emotionsebene anspricht, desto höher ist ihr Verbreitungsgrad. Der Wahrheitsgehalt spielt dabei keine Rolle. Eine These kann folglich wahr, halbwahr oder unwahr sein. Entscheidend ist, dass sie Emotionen weckt und auf entsprechenden Nährboden trifft.

 

Auch ein Gerücht "lebt" von einem Spannungsverhältnis. Es erweckt Interesse und erregt die Aufmerksamkeit der Gemüter. Trifft ein solches Gerücht auf bestimmte - bereits vorhandene - Erwartungshaltungen (z.B. Hoffnungen und Ängste), dann findet es einen regelrechten Nährboden für seine Verbreitung. Zugleich dient es der Orientierung und bedient zugleich das soziale Bedürfnis nach Nähe und Übereinkunft. Nähe und Übereinkunft zählen zu den Grundmotiven von Menschen.

 

Wenn jemand ein spannendes, lustiges, erschreckendes oder gar ein vermeintlich geheimes Gerücht weitererzählt oder weiterleitet, wirkt ein weiteres Grundmotiv im Hintergrund mit: Das Streben nach Anerkennung. Durch das Teilen von Storys und Gerüchten (insbesondere von vermeintlichen Geheimnissen) wird eine Art "Gemeinschaftsgefühl der Wissenden" hergestellt. Gefühle wie Schamgefühl, moralische Entrüstung oder Schadenfreude stärken dieses Gemeinschaftsgefühl, wodurch sich die Informationen festigen und quasi zu regelrechten Wahrheiten, Überzeugungen und informellen Normen führen.

 

Das sogenannte "Viralmarketing" trägt seinen Teil dazu bei: Hier geht es nicht nur um erhöhte Aufmerksamkeit, sondern auch um die Weiterleitung oder das Weitererzählen von Informationen, die sich - ähnlich wie ein Virus - verbreiten.

 

Eine besondere Aufmerksamkeit und besonders gute Chance auf Weiterverbreitung hat ein Gerücht, wenn es sich um ein angebliches Geheimnis handelt und der Empfänger gebeten wird, dieses vermeintliche Geheimnis nicht weiterzuerzählen bzw. die mitgeteilten Information niemandem zu verraten. Besonders wirksam ist ein Gerücht, wenn es von Personen mit hoher Popularität und Glaubwürdigkeit in die Welt gesetzt wird. Je einfacher und dramatischer die Information klingt, desto wirkungsvoller ist ein Gerücht, insbesondere dann, wenn die Informationen mit Schuldzuweisungen einhergehen, wobei indirekte Schuldzuweisungen eine stärkere Wirkung haben als direkte Schuldzuweisungen.

 

Gerüchte haben eine sehr starke Eigendynamik, die man allein vom sogenannten "Stille Post" Spiel kennt. Wenn sich Gerüchte festigen, über viele Jahre etablieren und über mehrere Jahrhunderte hinweg immer weiter erzählt werden, haben sie gute Chancen, in die Welt der sogenannten "Mythen und Sagen" aufgenommen zu werden. Einige Gerüchte hingegen manifestieren sich scheinbar in regelrechtem "Wissen", in "Glauben" und in "Überzeugungen". Dabei handelt es sich jedoch in Wirklichkeit nachweislich um Fehlannahmen und um falsche Überzeugungen, die lediglich subjektive Meinungsbilder sind. Davon gibt es sehr viel. Man nennt sie auch "Common Myth-Conceptions" (auch "Common MythConceptions" geschrieben).

Der Glaube an sogenannte Menschenkenntnis ist dafür ein ebenso gutes Beispiel wie so manche Verschwörungstheorie, so manche Lebensweisheit und so manches Vorstellungsbild, das sich in den Köpfen der Menschen über die Zeit hinweg zur vermeintlichen Realität gefestigt hat.

 

Woran liegt so etwas?

Weil niemand überhaupt auf die Idee kommt, derartige Fehlinformation anzuzweifeln. Tut jemand das doch, dann erntet er Lacher, Hohn, Spott oder Ächtung. Allein die Abrufbarkeit derartigen Fehl-Wissens stellt eine Selbstverständlichkeit dar, die keiner Vergewisserung bedarf. Insofern ist die Legendenbildung ein ganz natürlicher Auswuchs kollektiver Kommunikation. Sie funktioniert. Daher wird sie im Marketing und auch in der Politik erfolgreich und gewinnbringend genutzt.

Common Myth-Conceptions

Die bereits o.g. besondere Form des Legenden-und Mythen-Bildung fällt auch unter die Bezeichnung Common Myth-Conceptions (auch "Common MythConceptions" geschrieben). Der Begriff bezeichnet populäre Irrtümer, die im Volksmund auch als "Ammenmärchen" bezeichnet werden und auf Gerüchten basieren (sogenannte o.g. "Gerüchteküche").

 

Dabei handelt es sich um Fehlinformationen, die überall weitergetragen werden,  die sich mittlerweile in den Köpfen von uns Menschen derart stark verankert haben, dass sie das bilden, was wir als "Wissen" und "Bildung" bezeichnen.

 

In Wahrheit handelt es sich um einen Irrglauben bzw. um sogenannte Mythen. Dennoch: Trotz neueren und besseren Wissens wirken derartige Fehlinformationen immer noch in unseren Köpfen weiter. Darunter sind regelrechte (vermeintliche) "Weisheiten", die von Generation zu Generation weitergetragen werden, wodurch sie aber eben nicht weniger falsch sind. Manchmal sind es aber auch gerade die vermeintlich "neuen Erkenntnisse", die Common Myth-Conceptions zu widerlegen versuchen, selbst aber wiederum in Wahrheit Mythen sind.

 

Zwischen Meinung, Wahrheit und Erkenntnis scheiden sich die Gemüter: Oft ist insbesondere das, was als "Erkenntnis" gilt, in Wirklichkeit nicht mehr als eine "Meinung", die später zu einer persönlichen und kollektiven Überzeugung wird, in Wahrheit jedoch ein reiner Mythos ist.

 

Ursächlich für derartige Mythen sind Gerüchte bzw. die sogenannte Gerüchteküche, maniplulatives Storytelling als Marketinginstrument - nicht zuletzt die Beeinflussung durch die Massenmedien sowie die hohe Zugänglichkeit und Abrufbarkeit von Informationen.

 

 

Dazu ein paar Beispiele:

 

"Wikinger trugen Helme mit Hörnern daran"

"Eine "Ritterrüstung" wurde - wie aus dem bereits etablierten Namen deutlich hervorgeht - von Rittern getragen"

"Burgen, insbesondere Höhenburgen waren romantisch von Wald umgeben"

"Bei der Inquisition wurden hauptsächlich Hexen, die eigentlich Kräuterfrauen oder Heilerinnen waren, von der Kirche verbrannt"

 

"Fichte und Tanne sind typisch deutsche Bäume."

 

"Kois sind alle bunt"

 

"Milch ist gesund"

 

"Butter ist ungesund"

 

"Light-Produkte enthalten nur wenig Kalorien"

 

"Bullen geraten in Rage, wenn sie die Farbe Rot sehen"

 

"Die Psychologie beschäftigt sich im Schwerpunkt mit der Seele des Menschen und steht in Verbindung mit Irrsinn und Krankheit"

"Wer gute Noten hat ist auch intelligent"

 

"Wer einen entsprechenden beruflichen Abschluss hat, der beherrscht sein Fach"

 

"Einstellungsentscheidungen trifft man am besten anhand von Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgesprächen"


"Es gibt in Deutschland einen extremen Fachkräftemangel. Um an gute und motivierte Mitarbeiter zu gelangen, muss daher intensive Personalwerbung, (sogenanntes Employer Branding) betrieben werden"

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