Hintergrundwissen "Vernunft" und "Verstand"

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"Jetzt sei mal bitte vernünftig!", "Schalte bitte mal Deinen Verstand ein!", "Du bist sehr unvernünftig", "Das ist eine vernünftige Entscheidung", "Wir folgen unserer Vernunft", "Menschen unterscheiden sich von Tieren durch ihren Verstand" sind typische Redewendungen und zugleich Annahmen unseres Alltags. Aber was hat es mit unserer Vernunft und unserem Verstand auf sich?

Unter "Vernunft" versteht man die Fähigkeit des logisch schlussfolgernden menschlichen Denkens mit Hilfe des Verstandes. "Vernünftiges" Denken und Handeln (Verhalten) bedeutet, Sachverhalte zusammenhängend und folgerichtig zu erfassen, ihnen eine bestimmte Bedeutung zuzuordnen, die auf Regeln, Prinzipien und vermeindlich universellen Zusammenhängen basiert.

 

Dies bedarf jedoch der Tatsache, dass wir universelle Zusammenhänge

richtig erkennen. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Regeln und Prinzipien

auf denen unsere Vernunft basiert, je nach Kultur, Sozialisation und Trends unterschiedlich sind und auf unterschiedlichen Meinungen, Erkenntnissen, ÜberzeugungenGlaubenssätzenMoralvorstellungen 

und Weltbildannahmen basieren.

 

Was wir als "vernünftig" ansehen, ist folglich stets ein subjektives Gebilde, das auf unserer individuellen Wahrnehmung und Beurteilung basiert. Tatsächlich unterliegt unsere Wahrnehmung und Beurteilung aber vielzähligen Beobachtungs-, Beurteilungs- und Wahrnehmungsfehlern. Folglich sind wir nicht immer so vernünftig, wie wir meinen, manchmal ist das, was wir als"vernünftig" ansehen, eigentlich unlogisch oder sogar unvernünftig. 

 

Der Begriff der Vernunft selbst, hat in Verbindung mit dem Begriff des Verstandes im Laufe der Geschichte einen regelrechten Wandel erfahren wurde jeweils unterschiedlich assoziiert und gedeutet. Neben der menschlich geprägten und verstandenen subjektiven Vernunft vertreten einige Philosophen die Annahme der zusätzlichen Existenz einer überdimensionalen objektiven Vernunft (Weltvernunft, metaphysische oder kosmologische Vernunft). Hinzu kommt das religiöse Verständnis von Vernunft (Gott) oder die direkte Verbindung mit dem Verstand (Logos). Philosophen, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben sind u.a. Heraklit, Plotin und Hegel. 

 

Obwohl umgangssprachlich "Verstand" und "Vernunft" in der Regel gleichbedeutend verwendet werden, ist beides voneinander zu unterscheiden: Unter "Verstand" (engl. "mind") versteht man die allgemeine Fähigkeit zu gedanklicher Verarbeitung mit Hilfe unseres Gehirns.

Immanuel Kant (Philosoph der Aufklärung, 1724-1804) definiert Verstand als Verstand als das Vermögen zu denken bzw. das Vermögen der Begriffe, Urteile und Regeln, während Vernunft als das oberste Erkenntnisvermögen verstanden wird, das den Verstand, mit dem die Wahrnehmung strukturiert wird, kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. 

 

Mit unserem Verstand beschäftigt sich auch die Kognitionspsychologie (Kognitive Psychologie). Wilhelm Wundt (1832-1920), ein Zeitgenosse Sigmund Freuds, definiert Verstand als "die Fähigkeit, die Gegenstände und ihre Beziehungen durch Begriffe zu denken", wobei der Verstand mit dem "Intellekt" in Verbindung gebracht wird. Auch kennen wir den Begriff des gesunden Menschenverstandes.

 

Kurz: Während uns der Verstand dazu befähigt zu denken, ist Vernunft das Vermögen nach Regeln und Prinzipien - und damit auch wertend - zu denken.

Einer dieser Werte ist die Moral.

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