Hintergrundwissen "Neuroselling - Emotionssysteme im Gehirn"

Mehrwert-Infos für Vielleser, Mehr-Wisser, Besserwisser

Mit der Frage „Warum kauft der Kunde was er kauft?“ beschäftigen sich Wissenschaftler, Marktforschungsunternehmen und der Bereich Consumer Neuro Science bereits seit mehreren Jahrzehnten. Längst weiß man, dass Kaufentscheidungen überwiegend unbewusst hervorgerufen werden und über das Unterbewusstsein erfolgen.


Obgleich viele Menschen immer noch glauben, dass ihre Entscheidungen überwiegend auf rationalen Gesichtspunkten erfolgen, ist längst erwiesen, dass Entscheidungen z.B. Kaufentscheidungen überwiegend auf irrationalen Entscheidungsprozessen basieren. In Wirklichkeit bestimmt unser Unterbewusstsein, was wir tun - und wie gut und richtig wir das alles tun. Unser innerer Autopilot sagt uns, wer wir sind, was wir wollen, was wir tun und wie wir das tun. Unser Autopilot treibt uns an, führt und lenkt uns. Anders als ein Pilot im Flugzeug merken wir selbst nichts davon: Nur unser bewusstes Denken strengt uns an und lässt uns glauben, unser Verstand regiere die Welt.


In Wirklichkeit regeln unbewusste Schaltkreise die meisten Dinge für uns, ohne, dass es uns bewusst ist. Das ist auch praktisch so. Müssten wir über alles nachdenken, kämen wir kaum von der Stelle. Bewusstes Denken kostet nämlich sehr viel Energie. Deshalb versucht unser Gehirn, das Denken möglichst zu vermeiden. Obgleich das Eigengewicht unseres Gehirns nur etwa 2 Prozent des Körpergewichts beträgt, benötigen wir dennoch 20 Prozent der Energie zum Denken. Bewusstes Denken schafft nur etwa 40-60 Bits pro Sekunde,  unbewusstes Denken jedoch 11 Millionen.


Auf der einen Seigte ist das sehr praktisch. Auf der anderen Seite spielt uns unser Unterbewusstsein so manchen Streich: Die Palette der daraus resultierenden Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler bzw. Denk- und Denkprozessfehler ist riesig und erscheint schier unerschöpflich. Bei allem, was wir wahrnehmen und denken, ebenso bei Erwartungen und Entscheidungen nimmt unser Verstand nur eine untergeordnete Rolle ein: Von ca. 11 Millionen Informations-Einheiten, die unser Gehirn täglich verarbeitet, nehmen wir nur bis zu 40 Informationen bewusst wahr - so die Relation.


Das Unbewusste selbst erleben wir ebenso wenig wie die Mehrheit unserer Wahrnehmungen: Wir sehen zu 99 % nur das, was in unserem Gedächtnis bereits vorhanden ist. Nur maximal ca. 1 % an Informationen kommt hinzu. In unserem Unbewusstsein sind alle biologischen Prozesse inklusive unserer Emotionen und unserer Erfahrungen gespeichert. Was wir dort abrufen, wird im Allgemeinen als „Bauchgefühl“ bezeichnet. Genau das wird im modernen Neuromarketing angesprochen. Daher lernen effiziente Verkäufer und Vertriebler nicht nur aus der Sicht des Kunden zu denken, sondern auch aus der Sicht des Gehirns.

Die meisten Denkprozesse (80 %) laufen unbewusst ab. Die restlichen 20 % bilden unser Emotionsprogramm, das im Limbischen System, dem ältesten Teil unseres Gehirns, im Hintergrund abläuft. Hier werden Emotionen gebildet. Emotionen sind zugleich die Kräfte, die uns antreiben. Es sind jene Mechanismen, die uns sagen was gut und was schlecht für uns ist. Sie verändern unseren Körperzustand und unseren Gesichtsausdruck z.B. wenn wir im Stress sind, Angst haben, Freude empfinden, jemanden sympathisch oder unsympathisch finden.

Emotionen sind Muster aus psychologischen Gefühlen (z.B. Liebe/Hass),  Reaktionen (z.B. Blutdruck-Steigerung), kognitiven Prozessen (z.B. Erinnerungen, Erwartungen) und Verhaltensreaktionen (z.B. lachen, weinen), die bestimmte Ziele verfolgen. Alles was keine Emotionen auslöst, ist für unser Gehirn in Bezug auf Kaufentscheidungen ohne Wert, Sinn und Bedeutung. Um Produkte aufzuwerten, müssen sie also emotionalisiert werden. Das führt nicht nur zum Kauf, sondern zugleich zu einer anderen Wertschätzung und damit zu einer Wertsteigerung. Eine solche Wertsteigerung kann bis zu 700% betragen.

 

So wird auch im Produktmarketing gearbeitet: Zuerst wird eine Marke kreiert. Dann wird sie durch Werbung emotional aufgeladen. Das Produkt erhält z.B. eine schöne Umgebung, eine schicke Verpackung, eine sympathische oder gar aufregende Geschichte und ggf. Informationen über die besondere Herkunft. Zusammen mit einem ausgezeichneten Service mit bestimmten Besonderheiten erzielt man dann einen höheren Preis. Die Computer-Marke "Apple" ist dafür ein gutes Beispiel. Für die Kunden (Kunden-Typen) von Apple ist Apple kein Computer, sondern ein Lebensgefühl, ein Stück Familie und Heimat, das Gefühl von Individualität und Kreativität, das Gefühl von etwas Besonderem, die logische und bessere Alternative zu andereren Computer-Systemen und auch ein Stück Sicherheit. Allein das rechtfertigt den höheren Preis.

Ein weiteres Beispiel: Obwohl eine Tasse Kaffee einen Materialwert von nur einem Cent hat, verkaufen kluge Unternehmen wie z.B. Starbucks die Tasse erfolgreich für beispielsweise 3,50 Euro, allein schon deshalb, weil ein bestimmtes Lebensgefühl mitgeliefert wird. Bei McDonalds ist dies nicht anders. Selbst Fast Food bietet vielen Menschen unterschiedlichster Persönlichkeitstypen ein regelrechtes Heimatgefühl,
an das man sich gerne und überall erinnert. Insofern ist auch der Einfluss von Farben, Gerüchen und akustischen Erlebnissen auf unser Gehirn nicht zu unterschätzen, insbesondere dann, wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Selbst das Warten in einer Schlange im Fast Food Restaurant kann so zum Gefühl der Belohnung führen. Genau auf dieses Gefühl springen Menschen besonders an. Unternehmen nutzen dies, jedoch nicht immer richtig verstanden bzw. auf das Gehirn bezogen.

Neben Emotionen spielen im Hinblick auf die Auslösung eines Kaufwunsches auch Motive (Motivsystem) und die Werte eine Menschen (Wertsystem) eine Rolle. Motiv- und Wertsysteme besitzen nämlich ebenfalls eine emotionale Komponente und es findet hier eine entsprechende Wechselwirkung statt.

Während unbewusste Prozesse wie Emotionen einen großen Einfluss auf unser Kaufverhalten haben, stellt bewusstes Handeln unter rationalen Gesichtspunkten (Vernunft) hingegen einen relativ unwesentlicher Faktor dar. Wirklich entscheidend
sind die Motiv- und Emotionssysteme in unserem Gehirn, die in den Zuständigkeitsbereich des limbischen Systems fallen und der Einfachheit halber in drei Hauptbereiche und diverse Sub-Systeme unterteilt werden.

Die drei Hauptbereiche bilden das Balance-System, das Dominanz-System und das Stimulanz-System. Sie sind entscheidende Faktoren dafür, welche Produkte, Dienstleistungen und Marken zur Aktivierung des „Haben-Wollens“ führen
und in uns einen konkreten Kaufwunsch auslösen, u.a. weil sie bei Erfüllung
eine Belohnung darstellen.

Das Balance-System sorgt für Ordnung, Gewohnheit und Stabilität. Menschen, deren Balance-System stärker ausgeprägt ist, wünschen sich Ruhe, Sicherheit und Harmonie. Sie vermeiden Gefahr, Störung und Unsicherheit. Faktoren, die das Balancesystem befriedigen, sind beispielsweise Schlaf, Nahrung und Sex. Produkte, die unser Balancegefühl ansprechen, sind z.B. Renten- und Lebensversicherungen, Sicherheitstechnik / Einbruchmeldeanlagen, Virenscanner / Internet-Security, Wohn-Ausstattung und Reinigungsmittel. Das Balancesystem nimmt in Bezug auf unser gesamtes Emotionssystem Wichtigkeitsstufe 1 ein.

Das Stimulanz-System oder Neugier-System strebt nach neuen Informationen und Erlebnissen, damit nach Neugier, Informationsgewinnung, Entdeckung, Risikobereitschaft, Abenteuer und Belohnung. Die Suche nach unbekannten Reizen zählt ebenso dazu wie die Vermeidung von Langeweile und das Ausbrechen aus dem Gewohnten. Hier liegt zugleich die Ursache dafür, dass man dem Drang nach Neuem nachgibt, ferne und fremde Länder bereist und Produkte erwirbt, die neu, innovativ und andersartig sind.

 

Das dritte System ist das Dominanzsystem. Es befriedigt unser Bedürfnis nach Macht und Kontrolle. Es geht um das Bedürfnis, sich durchzusetzen, den Drang danach, Ziele zu erreichen, das Streben nach sozialen Vergleichen, das Streben nach oben, das Streben, potentielle Konkurrenz zu verdrängen, den Wunsch, besser zu sein und den Wunsch, Karriere zu machen. Produkte, die unseren Status unterstreichen, sind z.B. schöne und schnelle Autos, echter Schmuck oder eine teure Uhr. Wird das Dominanz-System befriedigt, führt dies zu Gefühlen wie Stolz, Sieg und Überlegenheit. Wird das Dominanz-System nicht erfüllt, kommt es zu Ärger, Wut und innerer Unruhe.


Sowohl das Dominanzsystem als auch das Stimulanzsystem erfordern Risikobereitschaft.
Das Balancesystem bildet dazu den Ausgleich. Alle drei Systeme stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit unserer Persönlichkeit und sind bei jedem Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt. Je nach dem, in welchem Verhältnis die einzelnen Motiv- und Emotions-Systeme ausgeprägt sind, bilden sie die Persönlichkeit und finden ihre Wirkung:

Ein Mensch mit einer starken Ausprägung des Stimulanz-Systems reagiert z.B. anders als eine Person, bei der das Balancesystem stärker wirkt. Eine Person, bei der das Stimulanz-System stärker wirkt, ist aktiv, spontan und neugierig. Sie sucht nach Entdeckung, nach neuen Erlebnissen, nach unbekannten Reizen, vermeidet Langeweile und strebt stattdessen Spaß, Individualität und Belohnung an. Bei Nichterfüllung bzw. dem Empfinden von Langeweile fällen sie eine negative Kaufentscheidung. 

Menschen, die eher vom vom Balance-System beeinflusst werden, sind zurückhaltender und vorsichtiger. Ihr Motiv ist das Streben nach Ordnung, Sicherheit, Ruhe und Harmonie. Sie vermeiden jede Gefahr. Jede Störung löst in ihnen eine Unsicherheit aus, die sich negativ auf eine Kaufentscheidung auswirkt.

 

Menschen mit einem stark ausgeprägtem Dominanzsystem streben hingegen einen hohen Status, Macht und Kontrolle an. Sie streben nach oben und wollen sich durchsetzen, selbst dann, wenn ihre Wahrnehmung falsch ist. Sie reagieren empfindlich auf das Gefühl möglicher Konkurrenz, bauen schnell Feindbilder auf und wollen ihre angenommene Konkurrenz verdrängen. Das Gefühl von Überlegenheit und Stolz regiert ihre Entscheidungsfindung. Bei Nichterfüllung reagieren sie mir Ärger, Wut und innerer Unruhe.


Es ist also wichtig, zu wissen, wie der Kunde individuell „tickt“. So wird sich z.B. bei einem Autokauf ein Kunde mit ausgeprägtem Stimulanz-System insbesondere für Innovationen interessieren. Ein Kunde mit stärker ausgeprägtem Balancesystem wird erst einmal Fragen in Bezug auf Sicherheits-Aspekte stellen, während sich eine Person mit ausgeprägtem Dominanzsystem eher nach den PS erkundigen wird.

Emotionen beziehen sich nicht nur auf konkrete Produkte, sondern auch auf Marken: Auch Marken besitzen einen emotionalen Kern. Es ist ein großer Unterschied, ob sich ein Kunde nun für einen Porsche oder eher für einen Ford interessiert. Individualitätsmotiv, Statusmotiv und Zugehörigkeitsmotiv sind die drei Hauptmotive, bestimmten Marken den Vorzug zu geben bzw. sich für ganz bestimmte Produkte zu entscheiden. Auch hier geht es in unserem Gehirn stets um Gefühle und um Lust und deren Befriedigung. Insofern ist auch Geld ist nichts anderes als "konzentrierte Lust in der Hosentasche", verbunden mit der Option, damit in Zukunft seine Lust befriedigen zu können und sich dadurch verschiedene Möglichkeiten offen zu halten.

Beim Preis hört die Lust jedoch erst einmal auf. Bei der Sichtung des Preises werden im Gehirn die gleichen Systeme aktiv wie z.B. bei Zahnschmerzen. Insofern ist der Gedanke, sich von seinem Geld und damit von seinen Zukunfts-Optionen trennen zu müssen, für unser Gehirn ein recht schmerzhafter Prozess. Dennoch können mit Geld alle drei Haupt-Emotionssysteme befriedigt werden.

 

Beim Kauf eines Produktes wird ein Teil des Belohnungssystems aktiv. Die Befriedigung der Bedürfnisse ist nämlich für unser Gehirn eine Art Belohnung. Sofern das Belohnungssystem bei jedem einzelnen Kundenberührungspunkt aktiviert wird und die individuell richtigen Motive und Emotionen stimuliert werden,  ist eine positive Kaufentscheidung als Ergebnis bereits vorprogrammiert. Zum Glück der Verbraucher sind die Strategien namhafter Unternehmen zwar auf die besagten Zusammenhänge eingestellt, werden jedoch in der täglichen Praxis falsch oder nur halbherzig genutzt. Vergessen wird nämlich: Sämtliche Details und die gesamte Peripherie spielen hier eine große Bedeutung.

Sehr häufig kann beobachtet werden, dass nicht alle Details gut oder richtig – und erst recht nicht aufeinander abgestimmt sind. Häufig werden Kunden mit lustvollen Versprechungen geködert, dann aber allein von der Hotline, dem Service, den Verkaufsräumen oder einer unverständlichen Web-Seite quasi fallen gelassen. Oft sind es allein die Mitarbeiter, die alles, was hinten klug ausgedacht wird, vorne zu nichte machen. Sie werden falsch ausgesucht, nicht genügend informiert, in die Strategie nicht eingebunden und quasi alleine gelassen. Dann geht der „Schuss“ ganz schnell nach hinten los. Auch das ist für den Kunden sehr emotional, nicht selten fühlen sie sich dann regelrecht „verschaukelt“.

 

Es geht folglich im Neuromarketing und Neuroselling nicht nur darum an irgendeiner Stelle positive Emotionen auszulösen, sondern überall und im Detail. Negative Emotionen zu vermeiden, ist genau so wichtig. Es bringt nichts, an einer Stelle positive Emotionen auszulösen, wenn diese nicht aufgefangen und letzendlich zur Kaufhandlung gebracht werden. Auch danach wirken Emotionen weiter und müssen after-sales-technisch gestützt, aufrechterhalten und zukunftsweisend bedient werden. Nicht selten wird im Handel der Kunde nach der Bezahlung einfach fallen gelassen. Man kümmert sich nicht mehr um ihn. Auch hier werden Emotionen ausgelöst. Das sind jedoch nicht immer die besten. Damit wird wertvolles Potenzial für die Zukunft nicht genutzt.

 

Wenn eine gute Stimmung vor dem Kauf nicht während des Kaufs und nach dem Kauf aufrechterhalten wird, ist das für den Verkauf oder Vertrieb recht unproduktiv. Hier gilt eine einfache Grundregel: Gute Stimmung öffnet das Gehirn für Verkaufsargumente sowie für Kaufspontanität, Mehrkauf und Nachkauf, während schlechte Stimmung es schließt. Das Ergebnis ist ebenso logisch wie einfach: Wenn die Stimmung im Keller ist, bleibt der Geldbeutel zu.


Ob im Neuromarketing oder im Neuroselling: Stets geht es darum, das Bauchgefühl des Kunden anzusprechen und ihm darüber hinaus alles so einfach und bequem wie möglich zu machen. Ein Online Bestellformular mit einfacher Zahlungsabwicklung zählt ebenso dazu wie die Umgebung und das Mobiliar in einem persönlichen Verkaufsgespräch: Ein Kunde, der  auf einem unbequemen Stuhl sitzt, gibt weniger gerne nach als eine Person, der man es auch optisch, sensorisch, haptisch und körperlich angenehm und bequem macht. Dabei geht es eigentlich nicht um „nachgeben“, sondern vielmehr um „Verlangen“.

 

Ebenso geht es nicht um ein paar gut gemeinte Hilfsmittel: Selbst die Optik, Einfachheit und Bequemlichkeit stellen lediglich Detail in einem großen Ganzen dar. Immer geht es um Emotionen. Emotionen müssen nicht nur ausgelöst, sondern aufrechterhalten werden. Sie wirken sich auch auf weitere Entscheidungsprozesse und den Preis aus. Hierzu ein Experiment: Zwei Probanden-Gruppen sollten für das jeweils gleiche Produkt (ein Getränk) einen Wert einschätzen bzw. einen Preis anbieten: Während die eine Gruppe durchschnittlich 10 Cent nannte, bot die andere 38 Cent. Ursächlich für diese völlig unterschiedliche Wertschätzung und Preisbeimessung waren subliminale Botschaften,
die den Probanden mittels zwei verschiedener Gesichter vorgespielt wurden. Während die Probanden der einen Gruppe zuvor einen mürrischen Boxer sahen, sahen die Probanden der anderen Gruppe eine freundliche Frau.

Die Botschaften zeigten – entsprechend ihrer Aussage und Deutung entsprechende Wirkung. Mimik und Gestik spielen hier ebenso mit wie allein ein Gesicht, das eines der wichtigsten Signale für unser Gehirn verkörpert. Während das freundliche Gesicht der Frau eine gute Stimmung verbreitete, wurde das Produkt nach dem Empfinden der Probanden und den daraus entstehenden Emotionen  deutlich aufgewertet. Die Probanden der jeweiligen Gruppe zeigten sich ganz automatisch wesentlich großzügiger.

 

Das gleiche Prinzip gilt auch bei Produkten selbst. Produkte, die allein vom Produktdesign her so aussehen bzw. wirken, als würden sie lächeln, werden lieber und für mehr Geld gekauft als Produkte, die eher zornig wirken. Neutrale Produkte, die gar keine Emotionen hervorrufen, überlassen sich selbst dem Zufall. Zur Erinnerung: Alles was keine Emotionen auslöst, ist für unser Gehirn wert, – sinn und bedeutungslos.

 

Fazit:
Aus der inneren unbewussten Perspektive des Kunden sind die meisten Produkte austauschbar. Dabei ist völlig unbedeutend, ob es sich dabei um teure oder preisgünstige Produkte bzw. um Verbrauchs- oder Investitionsgüter handelt. Eine völlig andere und besondere Wertschätzung bekommen hingegen Angebote, die einzigartig sind, die positive Emotionen erzeugen und möglichst begeistern. Derartige Produkte und Dienstleistungen dürfen sogar ruhig etwas mehr kosten. Wer begeisterte Kunden will, muss folglich Erlebnisse und Emotionen schaffen und diese aufrecht erhalten.

Die neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass der Mensch nicht nur überwiegend, sondern sogar fast vollständig unbewusst reagiert und handelt. Eine tragende Rolle spielt dabei unser Gehirn, insbesondere das limbische System: Es steuert unsere Motive und Emotionen. Es bewirkt z.B., dass Kaufentscheidungen unbewusst gefällt werden. Die Rechtfertigung mit dem, was wir „Vernunft“ nennen, erfolgt erst viel später. Je mehr Emotionen hervorgerufen werden, desto wertvoller erscheint ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Marke.


Nur eine Botschaft, die alle drei Grundmodalitäten unseres Gehirns direkt erreicht,

wird so verstanden, dass sie wirkt. Dazu zählt, dass etwas überhaupt wahrgenommen und erkannt wird, und dann möglichst bildlich und emotional so bewertet wird, dass es zur gewünschen Entscheidung und Handlung führt. Mit trockenen Fakten erreicht man beim Gehirn nichts, wenn nicht auch eine emotionale Komponente geboten und aufrechterhalten wird.

Weitere Zusammenhänge
Neuroselling und Neuromarketing zählen zum Bereich der Neuroökonomie (Neuroeconomics). Darunter versteht man die interdisziplinäre Verknüpfung der Neurowissenschaften mit den Wirtschaftswissenschaften.Es geht um die Untersuchung des Menschen als Konsumenten oder Investoren in bestimmten wirtschaftlichen Entscheidungssituationen unter Zuhilfenahme neurowissenschaftlicher Methoden, wobei insbesondere die Psychologie einen wichtigen Erklärungsbeitrag liefert.  

Die Erkenntnisse der Neuroökonomie finden überall dort Verwendung,
wo es um die Erforschung von Entscheidungsverhalten im ökonomischen 
Zusammenhang geht z.B. in der angewandten Betriebswirtschaftslehre und in der angewandten Wirtschaftspsychologie.

 

Ziel ist es, selbst jene menschlichen Entscheidungsprozesse zu verstehen,
die dem Unbewussten bzw. dem Unterbewusstsein entspringen bzw. die automatisch im Hintergrund ablaufen und das Verhalten wesentlich steuern. Das, was über bewusste Prozesse nicht erklärt werden kann und/oder zum Teil für unser Bewusstsein unlogisch erscheint, kann hier festgestellt und erklärt werden.


Zu den zentralen Themen der neuroökonomischen Forschung gehört z.B. das Entscheidungsverhalten bei Risiko und Unsicherheit oder Entscheidungsfindung im sozialen Kontext. Ein populäres Anwendungsfeld der Neuroökonomie ist der Bereich Neuromarketing bzw. Consumer Neuroscience. Während die Neuroökonomie rein wissenschaftliche Ziele verfolgt, indem die grundlegenden Mechanismen der Entscheidungsfindung untersucht werden, stellt Neuromarketing eine angewandte Disziplin dar, welche neurowissenschaftliche Methoden nutzt z.B. zum Zwecke der Marktforschung. 

In der Neuroökonomie kommen bildgebende, elektrophysiologische und peripherphysiologische Verfahren zum Einsatz. Die wohl bekannteste Technik
ist hier die Magnetresonanztomographie, bei der die Sauerstoffsättigung des Blutes
in eng umschriebenen Bereichen des menschlichen Gehirns gemessen wird.
Elektrophysiologische Methoden wie z.B. die Elektroenzephalografie basieren auf der Messung elektrischer neuronaler Signale. Sie finden z.B. Verwendung, wenn der zeitliche Ablauf verschiedener Prozesse untersucht wird. Peripherphysiologische Methoden messen Körperaktivitäten wie Blutdruck und Pupillenerweiterung und ergänzen die bildgebenden und elektrophysiologische Verfahren.