Hintergrundwissen "Sozioökonomischer Status & Intelligenzentwicklung"

Mehrwert-Infos für Vielleser, Mehr-Wisser, Besserwisser

Steht der sozioökomische Status in Verbindung mit Intelligenz?
Besitzen Kinder reicher Eltern mehr Gehirn?

 

Bereits seit langem ist bekannt, dass Faktoren wie Ausbildung, Arbeit und Einkommen
von Eltern in einer Wechselbeziehung zur Intelligenz ihrer Kinder stehen. Die genaue Erforschung der Ursache blieb aber bislang aus. Die aktuelle Wissenschaft hat nun mehr herausgefunden:

 

Die in Nature Neuroscience veröffentlichte Studie des Children's Hospital Los Angeles (CHLA), die laut NewScientist die bislang weltweit umfangreichste Studie zur Gehirnstruktur von Kindern und ihrem sozioökonomischen Status ist, zeigt klar auf, dass Sozioökonomischer Status die Entwicklung der Intelligenz beinflusst. Je wohlhabender die Eltern sind, desto größer ist bei ihren Kindern die Oberfläche des Gehirns, die auch mit der Intelligenz in Zusammenhang gebracht wird. Ebenso besteht ein Zusammenhang zwischen der Gehirnoberfläche und dem Ausbildungsniveau der Eltern. 


Kinder aus Familien mit niedrigerem Einkommen zeigen im Durchschnitt mehr Probleme bei sprachlichen Fähigkeiten, bei Schul-Leistungen und in anderen Bereichen der kognitiven Entwicklung. Dazu gehört auch die Fähigkeit des Lesens und die räumliche Orientierung. Diese Feststellung bezieht sich zwar nicht auf Kinder, dennoch beeinflusst das Mehr an Ressourcen auch die Gehirnentwicklung positiv. So konnte z.B. eine bessere Isolierung der Verbindungen zwischen den einzelnen Gehirnregionen festgestellt werden. Je besser die Isolierung der Nerven durch die schützende Myelinschicht, desto schneller können Impulse übertragen werden.

Die Untersuchung der Gehirnstruktur von über 1000 Kindern im Alter zwischen drei und zwanzig Jahren erfolgte mittels MRI-Scans. Zugleich erfolgte eine Testung der kognitiven Fähigkeiten der Kinder. Dabei schnitten die Kinder aus reicheren Familien besser ab. Zur Abklärung genetischer Einflüsse wurde ebenfalls DNA aus Speichelproben untersucht. Dadurch sollte zugleich die ethnische Verbindung untersucht werden. Die Auswertung der Testergebnisse und Scans ergab einen klaren Zusammenhang zwischen der Oberfläche und dem Einkommen. Zusätzlich tragen die Gene zu Unterschieden verschiedener Gehirnregionen bei.

 

Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und der Intelligenz, wird vermutet, dass das mehr an Geld den Eltern eine bessere Unterstützung ihrer Kinder ermöglicht, die dann widerum zu einer stärkeren kognitiven Entwicklung beiträgt. Zusammenhänge mit einer qualitativ besseren Ernährung werden ebenso vermutet. Ein weiterer Aspekt könnte darin bestehen, dass Menschen mit mehr Geld und einer dadurch höheren finanziellen Sicherheit, weniger gestresst sind und daher auch ihren Kindern mehr Zeit und eine höhere Aufmerksamkeit schenken können.

 

Nach Einschätzung von Andreas Köhler von ib Agentur für angewandte Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Wirtschaftspsychologie spielt neben der Qualität der Förderung und Zuwendung auch die Qualität der alltäglichen Kommunikation reine wesentliche Rolle, ebenfalls die vielen sonstigen günstigeren Einflüsse im Erziehungs- und Sozialisationsprozess. Laut Andreas Köhler zählt zu den vielen Einflüssen auch die Peripherie z.B. die Größe des Wohnumfelds (z.B. des Hauses) und die Mehr-Erfahrung durch Reisen. Wohnumfeld und Reisen stehen in einer Verbindung mit dem sozioökonomischen Status: Ärmere Familien sind weniger mobil, können sich seltener eine weitere und längere Reise (z.B. in ferne Länder) leisten und haben ein kleineres Haus oder nur eine kleine Wohnung. Der Zusammenhang zwischen der Größe des Umfelds bzw. der Umgebung und dem Wachstum ist bereits aus der Biologie und Neurobiologie bekannt: Je größer der Teich, desto besser die Entwicklung der Fische, desto größer der Karpfen oder Koi aus der gleichen Karpfen-Familie. Dieser Zusammenhang besteht auch im Hinblick auf das Alter: Ist der Raum (Teich, Käfig etc.) zu eng, stirbt das Tier oder zerstört sich selbst, was mit Verhaltensstörungen beginnt. Der Koi springt aus dem zu engen Teich heraus, der Papagei rupft sich die Federn aus. 

 

Die stärkste Beeinflussung der Entwicklung geschieht vermutlich in der frühen Kindheit. Hier ist die Empfänglichkeit des Gehirns für Erfahrungen am höchsten. Aber auch danach entwickelt sich unser Gehirn stetig weiter, je nachdem, welchen Einflüssen es ausgesetzt ist und wie wir es fordern oder gar unterfordern. Mehr Gehirn bedeutet nicht automatisch mehr Grips bzw. eine höhere Intelligenz. Entscheidend sind optimale gut ausgeprägte Verknüpfungen und die Kommunikation über Nerven zwischen bestimmten Gehirnwindungen. Faktoren wie Input und dessen Verarbeitung sind ebenso entscheidend. Wie und wie umfangreich und qualitativ hochwertig dieser Input geschieht, entscheidet ebenso mit wie die Prozesse der Informationsverarbeitung selbst, aus denen dann wieder (gute, ungünstige, falsche oder keine) Verknüpfungen resultieren.

 

Das bezieht sich auch im Hinblick auf die Gene. Intelligenz hängt nicht nur davon ab, ob ein Mensch entsprechende Gene besitzt, sondern auch davon, ob sie entsprechend genutzt bzw. entsprechend "eingeschaltet" werden, also ob sie gefördert werden oder eher ungenutzt verkümmern und sich zurückentwickeln. In so fern ist Intelligenz nicht statisch, sondern ein dynamischer Anpassungsprozess unserer Gene, die sich an unsere konkreten Umweltbedingungen und die individuellen Erfordernisse anpassen. Unser Elternhaus spielt dabei eine entscheidende Rolle:

Werden Kinder gefordert oder unterfordert?
Werden Kinder gefördert oder eher sich selbst und dem Zufall überlassen?
Werden im Elternhaus interessante Gespräche geführt oder wird mehr Small talk gehalten? Wird mit Kindern diskutiert oder Diskussionen lieber vermieden?
Unterhält der Vater oder der Fernseher? Welches Fernsehprogramm läuft zu Hause? Welches Vorbild haben Kinder? Gibt es ein Vorbild in der eigenen Familie?
Wird denken und nachdenken gefördert - oder alles leicht und bequem gemacht?
Werden Dinge erklärt - oder eher als Tatsache hingestellt?
Liest ein Kind Kochrezepte oder die Bildtafeln bei McDonalds bzw. Burger King?
Lernt ein Kind, seine Freizeit selbst aktiv und kreativ zu gestalten?
Oder lernt das Kind lediglich Pauschaltourismus und Freizeitpark-Animation? 


Wie Eltern ihre Kinder fördern und fordern ist entscheidend für die Entwicklung und Verzweigung entsprechender neuronaler Bahnungen im Gehirn und für den Transport von  Informationen über die Nerven zum Gehirn. Ein bestimmtes Denken bahnt sich zumeist immer wieder dieselben neuronalen Wege durch unser Gehirn. Es folgt gewissen Pfaden, die es wiederum selbst formt und immer weiter formt. In je mehr Richtungen wir denken, desto mehr neuronale Pfade schlagen unsere Nervenbahnen ein, desto intelligenter sind wir. Denken wir hingegen relativ einseitig, schlagen unsere neuronalen Bahnungen nur einseitige Pfade ein oder verkümmern sogar.


Der Staat, der das Problem längst erkannt hat, strebt nach Gleichberechtigung in Sachen Bildung. Die eigentlich wirklich entscheidenden Voraussetzungen werden werden jedoch viel früher in der Kindheit und im Elternhaus geschaffen. Umgekehrt: Wer ein Kind fragt, welche Länder an Deutschland angrenzen und die Antwort-Länder zählt, weiß folglich zugleich auch wie es um das Elternhaus und den dort vorhandenenn sozioökomischenn Status gestellt ist. Sicher gibt es Ausnahmen - doch die statistische Treffer-Quote ist erschreckend hoch. Man kann jedoch Gegenwirken: Wer das Problem erkennt und im Hinblick auf die Erziehung rechtzeitig gegensteuert, kann sein Kind positiv entwickeln. Dann wirkt zugleich der Umkehr-Schluss, der ebenso bekannt ist: Eine höhere Intelligenz führt zu einer höheren Bildung und eine höhere Bildung in Regel eher zu einem höheren Status - und damit wieder zu klügeren Nachfahren.  

 


Weitere Infos
Intelligenz
Emotionale Intelligenz

Dummheit & Gesellschaft