Hintergrundwissen "Stockholm-Syndrom"

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Unter dem sogenannten Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, das mit einer Verdrehung des Täter-Opfer-Verhältnisses im Rahmen der sogenannten "Umkehr" - Ein Phänomen, welches man aus dem Fachgebiet der Psychiatrie kennt, einhergeht.

 

Im Zuge des Stockholm-Syndroms bauen zum Beispiel Opfer von Vergewaltigungen und Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Vergewaltigern und Entführern auf. Beim Stockholm-Syndrom handelt es sich um einen Denkfehler, der bewirkt, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.

 

Zurückgeführt wird der Begriff ursprünglich auf das Geiseldrama am Norrmalmstorg vom 23. bis 28. August 1973 in Schweden. Damals wurde eine Bank in Stockholm überfallen und vier Angestellte als Geiseln genommen. Aufgrund des besagten Effektes entwickelten die Geiseln eine regelrechte Zuneigung zu den Geiselnehmern. Dies führte dazu, dass sie mehr Angst vor der Polizei als vor ihren Geiselnehmern hatten.

 

Auch nach der Beendigung der Geiselnahme empfanden die Geiseln keine negativen Gefühle wie z.B. Hass auf die Täter. Sie waren ihnen sogar dankbar, baten um Gnade für die Täter und besuchten sie im Gefängnis.

 

Das Phänomen basiert auf dem Prinzip der sogenannten Umkehr, dass man von der Schizophrenie und der Wirkung des Gehirnparasiten Toxoplasma gondii kennt, der durch Manipulation des Gehirns dazu führt, dass sich Tiere und Menschen bei Befall mit dem Einzeller zu ihren "Fress"-Feinden geradewegs magisch angezogen fühlen und sich ihnen - wie in diversen Experimenten (u.a. an Ratten und Flohkrebsen) gezeigt, bereitwillig ausliefern, um getötet bzw. gefressen zu werden. 

 

Im Zusammenhang mit dem Stockholm-Syndrom auffällig, ist bei Menschen auch die Verdrehung (exakte 1:1 Umkehr der Tatsachen), sofern es sich um Täter-Opfer-Verhältnisse handelt.

 

Laut Andreas Köhler handelt es sich beim Stockholm-Syndrom aber nicht zwingend um ein psychiatrisches Problem, sondern eines, dass sich unabhängig von einer psychischen Erkrankung rein psychologisch anhand des Wirkungsprinzips zur Bewältigung kognitiver Dissonanzen (Effekt der kognitiven Dissonanz-Reduktion nach Köhler) erklären lässt.

 

Laut Köhler ist das Stockholm-Syndrom auf kognitive Dissonanzen und Selbstwertdienliche Verzerrungen zur künstlichen Um-Erklärung der eigenen Weltanschauung zurückzuführen, sofern das Erleben der Realität bzw. der persönlichen Erfahrungen nicht mehr dem ursprünglich verinnerlichtem Weltbild entspricht.

 

Anstatt das eigene Weltbild zu hinterfragen und entsprechend umzulernen, sind die Betroffenen bemüht, ihr Weltbild mit den ihnen zur Verfügung stehenden kognitiven Mitteln, zu denen die Nutzung der eigenen Vorstellungskraft (=Phantasie) gehört, aufrechtzuerhalten. Dies mündet dann letztendlich in ein Denken, das auch Schizophrenie-Patienten nutzen, um ihren krankhaften Gesundheitszustand umzuinterpretieren.   

Abwehr gegen Einsicht: "Umkehr"

Bei bestimmten psychischen Störungen (z.B. der Schizophrenie) erfolgt an Stelle einer Einsicht nicht selten die Umkehr eines Fehlers, eines Problems, einer Diagnose oder Verhaltens-Zuschreibung.

 

Umkehrung bedeutet, dass ein Fehler, ein Problem, eine Diagnose oder eine Verhaltenszuschreibung auf genau die Person oder Personengruppe projiziert wird, welche die Beobachtung, Vermutung oder Tatsache anspricht oder eine eventuell vorhandene Störung/Erkrankung diagnostiziert.

 

Beispiel: "Du bist der Kranke!", "Du musst selber mal zum Arzt!", "Psychiater sind selbst alle krank", "Du liebst mich nicht!", Du musst mich scheinbar hassen.", "Du hast das doch gesagt, nicht ich", "Du machst doch selbst auch XYZ"). 

 

Derartige Konter-Reaktionen sind im Umkehrschluss zugleich wieder ein Indiz für eine etwaige psychotische Störung, zumindest dann, wenn sie wiederholt beobachtet werden können und auffällig ist, dass die Person über keine Einsicht verfügt, was die Bereitschaft zur Kooperation in dieser Hinsicht mit einschließt. Unter anderem tritt die Umkehr von Tatsachen bzw. die Umkehr der Realität bei schweren Psychosen wie der Schizophrenie auf - ebenso bei Wahnzuständen:

 

Wahnhafte Gedanken, Vorstellungen und Annahmen werden von den Betroffenen gegenüber der Außenwelt so stark verteidigt, dass Zuschreibungen oder Anschuldigungen jeglicher Art zur sogenannten "Umkehr" führen. Das eigene Denkkonstrukt der vom Wahn Betroffenen kann so stark sein, dass sie das, was ihnen von Außenstehenden zugeschrieben wird (der Wahn an sich oder ein bestimmtes Verhalten), in das Gegenteil umkehren und den anderen zuschreiben.

 

Menschen, die vom Wahn Betroffene für krank halten, werden von diesen selbst für wahnhaft bzw. krank gehalten. Menschen, die vom Wahn Betroffene auf ihre wahnhafte Gedanken ansprechen oder sie vom Gegenteil überzeugen wollen, werden für verrückt oder für Feinde gehalten. Wenn wahnhaft Kranken ein negatives Verhalten vorgeworfen wird, werfen sie den anderen negatives Verhalten vor. Aus Opfern werden Täter, aus Helfern werden Angreifer.

Interessant ist, dass von einem Wahn Betroffene sämtliche Zuschreibungen fast 1:1 umkehren. Wird ihnen geholfen, versuchen sie den anderen zu helfen. Beleidigen sie andere Menschen, so werfen sie den anderen genau diese Beleidigungen vor. Absprachen, Schuld- und Rechtsverhältnisse werden oft so herumgedreht, dass sie genau gegensätzlich sind.

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