Hintergrundwissen "Psychotrauma"

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Ein Psychotrauma bzw. Trauma bezeichnet in der Psychologie eine durch ein traumatisierendes Erlebnis entstandene seelische Verletzung, die sich auf das auslösende Ereignis, die Symptome und/oder das damit verbundene innere Leiden bezieht, ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten darstellt, mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht, eine tiefe Verzweiflung hervorruft und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.

 

Traumatisierende Ereignisse (z.B. schwere Unfälle mit drohenden ernsthaften Verletzungen, Naturkatastrophen, Überfälle und andere gewalttätige Angriffe, Geiselnahmen, Entführungen, Vergewaltigungen,  Kampfeinsatz und andere Kriegserlebnisse, Vertreibung, Terroranschläge, Folter, Beobachtung des gewaltsamen Todes anderer Menschen, medizinische Eingriffe, Tod der Eltern in der Kindheit, Verlust einer geliebten Person und/oder der eigenen Kinder, lebensbedrohliche Krankheiten in der Kindheit oder bei bereits vorhandenen Angststörungen) zu denen auch weniger dramatisch erscheinende Ereignisse gehören können (z.B. schwere persönliche Angriffe und Schmähungen, ausgeprägte emotionale oder körperliche Vernachlässigung in der Kindheit, lang andauernde Manipulation, Mobbing, emotionaler Missbrauch, körperliche Züchtigung, Scheidung oder Trennung, Konfrontation mit Traumafolgen als Helfer, traumatisierendes Geburtserleben z.B. bei der Geburt oder im Mutterleib) können in einem Menschen extremen Stress auslösen und Gefühle der Angst, der Hilflosigkeit oder des Entsetzens bzw. Grauens erzeugen und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten überschreiten, wodurch Angst- und Spannungszustände hervorgerufen werden können.

 

Diese können wieder im Zusammenspiel mit einer Verhaltenänderung ganz von alleine abklingen und die Überwindung des Traumas sogar zu einem posttraumatischem Wachstum (posttraumatic growth / Richard G. Tedeschi, Lawrence G. Calhourn) führen. Wenn die erhöhte Stressspannung jedoch über längere Zeit bestehen bleibt oder unbewusst weiter wirkt, ohne diese adäquat zu verarbeiten, kann dies zu schweren psychischen Problemen mit unzähligen Symptomen und einem entsprechenden Krankheitsbild führen z.B. einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) (ICD-10) bzw. (DSM-IV-TR) und anderen Störungen und Krankheitsbildern.

 

Beispiele:
Innerer Unruhe, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, immer wiederkehrende Ängste in Zusammenhang mit dem erlebten Ereignis, nächtliche Angst, Angstattacken, 
Panikattacken, Albträume, negative Gedanken, Vermeidungsverhalten, Verdauungsprobleme, Wut, gestiegene Wachsamkeit gegenüber Gefahrenreizen, leichte Erschreckbarkeit, gedankliche Vorwegnahme des Schlimmsten, Kontrollzwang, Dauer-Pessimismus, emotionale Taubheit,  dissoziative Zustände, Intrusionen mit Flashbacks, Anpassungsstörungen, 

Akute Belastungsreaktionen, andauernde Persönlichkeitsänderung, Spezifische Phobien, Borderline etc.

 

Ob eine Situation traumatisch wird, hängt nicht nur von den äußeren Umständen, sondern auch vom individuell inneren Erleben eines Ereignisses ab. Ob ein Mensch auf ein traumatisches Ereignis mit einer psychischen Störung reagiert und welches Krankheitsbild entsteht bzw. im Vordergrund steht und vom Schweregrad her ausgreprägt ist, ob und wie stark ausgeprägt das Risiko einer Folgestörung ist, hängt meistens stark von den individuellen persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten und vielen weiteren Faktoren ab.

Dazu zählen: 
Risiko- und Schutzfaktoren (z.B. Vorerfahrung, Alter zum Zeitpunkt der Traumatisierung usw.), Ereignisfaktoren (Grad der belastenden Situation, Schadenausmaß, Dauer des Ereignisses usw.), persönliche Faktoren (z.B. subjektive Wahrnehmung), initiale Reaktion (z.B. Reaktion während des traumatischen Ereignisses oder unmittelbar danach), gesundheitsfördernde Faktoren/Ressourcen (z.B. Unterstützung durch das soziale Umfeld, Anerkennung als Opfer, zwischenmenschliches Verständnis und Kommunikation, Fähigkeit zur geistigen Einordnung und zum Verstehen, Kreativität in der Sinngebung usw.)

 

Der Hirnforschung nach, wird ein traumatisches Ereignis im Gehirn in der Amygdala (eine Art "Vorfilter" für Sinneseindrücke, welcher "unwichtige" von wichtigen (ggf. überlebenswichtigen) Sinneseindrücken unterscheidet, ihnen eine entsprechende Bedeutung zuordnet und Gefühle von Angst und Wut entstehen lässt) gespeichert. Eine bedrohliche oder als Bedrohung empfundene Situation wird ohne Einbeziehung des Großhirns automatisch in der Amygdala festgestellt und entsprechende Hormone (wie Glukokortikoide und Serotonin) ausgeschüttet. Sie versetzen den Körper in Alarmbereitschaft und mobilisieren Energie-Reserven. Daraufhin kommt es innerhalb des Gehirns zu einer folgenschweren Umschaltung des regulären Datenflusses und zu einer Umverdrahtung, die die gesamte Funktionsweise des Systems grundlegend ändert. Die Entscheidungsfindung (Großhirn) wird unterbunden, die Verdrahtungen zwischen Amygdala und Hippokampus regelrecht gekappt (Dissoziation), wodurch wesentliche Teile der Nachrichten erst gar nicht an das Gedächtnis weitergeleitet werden, weil die verschiedenen Gehirnteile nun nicht mehr miteinander in vollem Kontakt stehen und unabhängig voneinander verschiedene Dinge tun können. Durch die Trennung wird die Reaktionszeit stark beschleunigt, wodurch Flucht oder Verteidigung sehr viel schneller organisiert werden können und sich die Entscheidungswege durch die Umverdrahtung drastisch verkürzen. 

 

Früher war dies ein deutlicher Überlebensvorteil. Bei von Menschen gemachten Traumata kann dies fatale Folgen haben und zudem zu einer dauerhaften Umverdrahtung von Nervenverbindungen (speziell zwischen Amygdala und Hippokampus), zu einer Schrumpfung des Hippokampus, zu einer teilweise unumkehrbaren Unterbrechung und zu einer dauerhaften Störung des Botenstoff-Gleichgewichts im Gehirn führen.

 

Es kann sein, dass man sich nicht an das Trauma erinnern kann. Nach Beendigung des traumatischen Ereignisses wird der entsprechende Bereich nicht mehr aktiviert. Das Ereignis scheint vergessen (Amnesie) zu sein oder wird in bestimmten Situationen völlig sinnlos aktiviert. In Wirklichkeit sind alle Informationen noch detailliert gespeichert und im Unterbewusstsein aktiv. 

 

Viele Menschen tragen ein Psychotrauma mit sich, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Wer von dissoziativer Amnesie betroffen ist, der weiß oft nicht von der Existenz des Traumas und hat wegen fehlender Hinweise und aufgrund der Verdrängung auch kaum eine Chance, von selbst darauf zu kommen. Das trifft sowohl auf Menschen zu, die ein traumatisches Ereignis vergessen oder verdrängt haben oder sich allein deshalb nicht daran erinnern können, weil das Trauma in frühester Kindheit (z.B. bereits bei der Geburt oder gar im Mutterleib) erfolgte.

 

Ein Trauma kann starken Einfluss auf Wahrnehmung, Denken und Verhalten in allen Lebensbereichen nehmen, ohne dass man sich dessen überhaupt bewusst ist. Psychotraumatische Erfahrungen werden familiär, gesellschaftlich und auch persönlich sehr häufig ignoriert oder heruntergespielt und oftmals nur dann einigermaßen ernsthaft angegangen, wenn ein ökonomischer Schaden entsteht, der ein Unternehmen oder eine Institution betrifft (z.B. Versicherungsschaden bei Kfz-Unfall, Arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht bei Arbeits- oder Dienstunfall etc.). Aber auch dann sind die Hilfen und Methoden der Traumbewältigung für die Betroffenen oftmals nicht ausreichend, um individuelle Traumata vollständig zu bearbeiten.  

 

Mit psychischen Traumata und Konzepten, die sich mit der Überwindung von Traumen beschäftig sich die Psychotraumatologie.

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