Hintergrundwissen "Posttraumatisches Wachstum"

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Während sich die traditionelle Klinische Psychologie mit den negativen Seiten psychischer Störungen beschäftigt (z.B. posttraumatische Belastungsstörung oder posttraumatische Verbitterungsstörung), beschäftigt sich die moderne Traumaforschung u.a. mit den positiven Folgen eines Traumas.

 

Der Begriff „posttraumatisches Wachstum“ (posttraumatic growth) stammt von Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun und bezieht sich auf die Auswirkungen eines Psychotraumas

 

Nach Untersuchungen von Tedeschi und seinem Team können Psychotraumen im positiven Sinne zur Intensivierung der Wertschätzung des Lebens führen, da der durch das traumatische Erlebnis ausgelöste Reifungsprozess zu einer Veränderung der eigenen Prioritäten führt, wobei die Bedeutung selbst geringfügiger, alltäglicher Dinge zunimmt, materielle Aspekte an Wert verlieren und dafür persönliche Beziehungen an Wert gewinnen, was zu einer Intensivierung persönlicher Beziehungen mit einer höheren Empathie (siehe Sozialkompetenz / Soziale Intelligenz und Emotionale Intelligenz) führt.

 

Mit dem Bewusstwerden der eigenen Schwächen und der eigenen Verletzlichkeit wächst auch das Gefühl der inneren Stärke. Da man durch ein traumatisches Erlebnis bereits etwas Schlimmes erlebt hat, kennt man zwar die eigene Angreifbarkeit und Vergänglichkeit, weiß aber (unbewusst oder bewusst) zugleich auch, dass man schlimme Ereignisse und deren Folgen überlebt und irgendwie gemeistert hat und auch in Zukunft meistern kann.

 

Man beginnt, sich selbst, die Dinge und die Welt um sich herum zu hinterfragen und ist dadurch zugleich bestrebt, Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen. Kuzum: Man wird interessierter und neugieriger, entdeckt leichter neue Perspektiven und Möglichkeiten im Leben, sucht nach neuen Zielen und Aufgaben. Nicht selten ist dies mit einem Berufswechsel, besonderen Fähigkeiten im Beruf oder mit sozialem und/oder beruflichem Engagement verbunden. Dies sind Fähigkeiten, die man gewinnbringend nutzen kann, wenn man sie selbst oder als Nutzer erkennt. 

Auch kann es durch ein erlebtes Grenzerlebnis bzw. Schlüsselerlebnis und daraus resultierender existenzieller Fragen an das Leben und die Umwelt zu einer Intensivierung des spirituellen Bewusstseins kommen. Neben aufgeworfenen Fragen zum Sinn des Lebens oder der Frage nach Gott, entstehen Hinterfragungen gängiger Muster und Klischee-Vorstellungen.

 

Betroffene eines Traumas sind dadurch viel leichter oder im Gegensatz zu anderen überhaupt erst in der Lage, vorhandene Paradoxien und auch Fehler zu erkennen, die Dinge im Leben zu hinterfragen und dialektisch zu verarbeiten, die andere gar nicht sehen. Daraus resuiltiert ein Zugewinn an Reife und Weisheit. Durch den zuvor erfolgten Verlust entsteht somit zugleich ein Gewinn, den man sich bewusst machen sollte. 

 

Tedeschi und Calhoun unterteilen traumatisches Wachstum in drei Phasen:

 

a) Erleben eines Traumas
(Verbunden mit massivem psychischen und emotionalen Leid werden eigene vorhandene Bewältigungsmöglichkeiten überschritten und dabei Grundannahmen über sich, die eigene Logik und die Welt zerstört) 

 

b) Kognitive Bewältigung

(Häufiges automatisches Ruminieren (Prozess der kognitiven Verarbeitung durch grübeln, starkes Nachdenken, Reflektieren) (von "ruminare" = "wiederkäuen“ bzw. „wieder erwägen), Reduktion von emotionalem Distress, Verabschiedung von unerreichbaren Zielen, Reflektierendes Ruminieren, Veränderung der Grundannahmen

 

c) Postraumatisches Wachstum

 

 

Weitere Begriffe in dieser Richtung sind: Positive Psychologie, Optimismus, Resilienz, Hardiness, Kohärenzsinn