Hintergrundwissen "Image & Kopftuch-Debatte"

Mehrwert-Infos für Vielleser, Mehr-Wisser, Besserwisser

Mit der Aufhebung des sogenannten Kopftuchverbotes in Bezug auf Lehrerinnen
an öffentlichen Schulen ist die Diskussion zum Thema erneut aufgeflammt.
Da das am 13.03.2015 in unserer Agentur erfolgte Sat1 Interview zum Thema 
recht kurz ausfiel, erfolgen hier konkretere Ausführungen aus fachlicher Sicht.

 

Vorab ein Statement aus der Presse: Am 13. März 2015 schrieb die Süddeutsche Zeitung zum aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Wenn eine Lehrerin Kopftuch trägt, ist das eine gute Botschaft. Es ist ein kleines Bekenntnis, ein religiöses Symbol.“ Zudem gab es bei uns eine Anfrage, wie man das Image von Verschleierungen (inklusive Vollverschleierungen) optimieren könne, auch damit sich die Bürgerinnen besser vor den sich seit 2015 ausweitenden sexuellen Übergriffen in unserem Land schützen können. 

 

Handelt es sich wirklich um eine "gute" Botschaft? Basiert das Kopftuch wirklich auf Religion - wie viele eher ungebildete Menschen glauben? Zudem muss in Bezug auf die vorgenannte Anfrage entgegnet werden: Wer in der Politik so weit geht, Bürgerinnen zum Zwecke des Selbstschutzes das Tragen von Vollverschleierungen anzuraten und ihnen dies über die üblichen Strategien des Nudgings schönfärbt und bewirbt, könnte den Bürgern ebenso empfehlen, ihr Haus oder ihre Wohnung nicht mehr zu verlassen.

Doch zurück zur Kopftuch-Debatte in Bezug auf den Schuldienst und das besagte Interview: Nüchtern betrachtet, stellt sich aus rein fachlicher Sicht die Frage, ob man hinsichtlich einer Schule nun religiöse Botschaften erwartet oder vielmehr die Vermittlung von Wissen. Das muss die Politik klären und die vertritt nun einmal die Bürger, wozu auch jene Menschen zählen, die aktuell mit dem Thema Schule konfrontiert sind. Dazu zählen insbesondere Schüler, Eltern und Lehrer.

Sofern man Schüler und Eltern als Kunden betrachtet, empfiehlt sich die Frage,
wie kundenorientiert (unterschiedlichste) religiöse Botschaften jeweils sind.
Sofern man Schulen als staatliches Organ der Wissensvermittlung sieht,
muss man sich die Frage stellen, was die Vermittlung von Wissen mit religiösen Botschaften zu tun hat.

 

Sofern der Staat neuerdings eine Verbindung zwischen Staat und Religion sieht und religiöse Botschaften unbedingt vermitteln will, dann muss er sich fragen, welche Botschaften das konkret sein sollen und ebenso, wie diese Botschaften wahrnehmungstechnisch ankommen. Dazu müsste man sich psychologisch mit dem Thema Image und der Wirkung auf andere auseinandersetzen, ebenso damit, was mit einer konkreten Wirkung erreicht werden soll. So könnte man sich z.B. die Frage stellen:"Fördert ein bestimmtes Verhalten die Integration oder eher die Abspaltung?"

Ebenso sollte bedacht werden: Staatliche Institutionen wie Schulen vermitteln nicht nur Wissen, sondern auch Werte. Wie sich eine Institution nach außen verkörpert, 

spricht repräsentativ für die Institution und ihre Werte, zugleich für Kultur, Kompetenz und Vertrauen. Ebenso werden bestimmte Gefühle erweckt. Um sich selbst in etwa ein Bild zu machen, welcher Art diese Bilder und Gefühle sein könnten, empfiehlt sich die eigene Vorstellungskraft zu befragen z. B. wie folgt: 

 

Welches Werte und Gefühle vermittelt z. B. eine Pickelhaube? 

Welche Werte und Gefühle vermittelt eine Armbinde?

Welche Werte vermitteln teure Luxuskarossen auf dem Lehrerparkplatz?

Welche Werte vermittelt ein Lehrer, der ein Barrett mit rotem Stern trägt?

usw.

 

Egal, was Menschen tun. Es entstehen Bilder in den Köpfen der Menschen, selbst bei der reinen Nennung von Zahlen (z.B. "4711" oder "911"). Die Eltern, die ihre Kinder auf eine bestimmte Schule schicken, werden sich jeweils fragen: „Ist das wirklich die richtige Schule für mein Kind? Oder ist mein Kind auf einer anderen Schule nicht besser aufgehoben.“ Einige Eltern könnten sich fragen: „Will ich mein Kind in eine Religion oder eine Doktrin schicken - oder lieber einfach in eine Schule?“ oder "Lernt mein Kind dort wirklich das Richtige?"

 

Wäre das ein Fall für uns, würden wir es aus professioneller Sicht wie die Schweizer handhaben und Menschen entsprechend befragen, aber natürlich anonym und nicht vor laufender Kamera bzw. unter dem Druck der Medien und angenommenen Konventionen.

 

Wenn das ib-Team selbst befragt würde, dann würden wir einstimmig verlauten lassen, dass ein jeder seinen Glauben leben und pflegen soll - aber stets im Hinblick auf soziale Kompetenzen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse anderer. Sozialkompetenz bedeutet auch, sich empathisch auf sein Umfeld einzustellen. Hier stellt sich die Frage: Wer ist mein Umfeld? Wo lebe ich? Oder wo mache ich Urlaub? Gehört es in diesem oder jenem Land zur Kultur, ein Kopftuch zu tragen oder sich ansonsten zu verschleiern? Oder gibt es in diesem Land eine völlig andere Kultur?
Wie ist das in Deutschland? 

Die Fähigkeit Wahrnehmung der entsprechenden Realität basiert auf Intelligenz.
Von normal intelligenten empathischen und psychisch gesunden Menschen darf man voraussetzen, dass sie mitbekommen, wo sie sich gerade befinden und was in ihrem gesellschaftlichen Umfeld normal, unüblich oder eher befremdlich wirkt. Wer dies erkennt, sich aber trotzdem konträr dazu verfällt, signalisiert aus psychologischer Sicht ganz bewusst Abgrenzung, Überheblichkeit und Feindschaft. Dahinter kann sich ein bestimmter Persönlichkeits-Typus, eine psychische Problematik oder ein bestimmter Intellekt verbergen, der derartige Denkmuster veranlasst.  

 

Dabei gilt es auch, zu berücksichtigen: Religion ist ein Recht und kein Vorrecht.

Es ist schade, dass mittlerweile Gerichte Dinge entscheiden müssen, die eigentlich die reine Logik klar stellt. Leider gibt es im Hinblick auf soziale Kompetenzen und entsprechende Regelwerke in Deutschland aber scheinbar starke Defizite bzw. Unklarheiten. Liegt das daran, dass soziale Kompetenzen daheim und an Schulen nicht mehr adäquat vermittelt und gelernt werden?

 

Insgesamt führt die Debatte nicht zur Integration, sondern zur Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft. Letztendlich entscheiden die Eltern, ob sie sich mit einer bestimmten Schule für ihre Kinder identifizieren können oder eben nicht. Ebenso entscheiden die jeweilige Schulen darüber, ob sie ein Religions-Image (im konkreten Fall ein Islam-Image) will oder das Thema Schule und Bildung eher sachlich sieht.

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