Hintergrundwissen "Das Propagandamodell von Noam Chomsky und Edward S. Herman"

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Einführung: Propaganda

Der Begriff "Propaganda" kommt vom Lateinischen "propagare"‚ was so viel bedeutet wie "ausbreiten" und "verbreiten". Dabei geht es um den absichtlichen systematischen Versuch, öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu steuern. Eine derartige Steuerung erfolgt stets zum Zwecke im Sinne sogenannter Propagandisten. Dies können z.B. Machthaber sein, die ihr Volk steuern wollen. Dabei geht es um die Beeinflussung des Denkens und Handelns bzw. die Beeinflussung von Wahrnehmungen, Gefühlen, Urteilen und  Entscheidungen.


Der Begriff wird überwiegend in politischen Zusammenhängen benutzt. In wirtschaftlichen Zusammenhängen spricht man hingegen von "Werbung" und in religiösen Zusammenhängen von "Missionierung". Bei der Propaganda geht es nicht - wie die meisten denken - um Lügen, sondern um die geschickte Auswahl und Darbietung von Informationen sowie die Manipulation von Nachrichten.


Diese Nachrichten können durchaus wahr sein. Sie werden aber so präsentiert, dass ein anderes Bild entsteht und sich über Wahrnehmung und Meinungsbildung eine neue "Realität" bzw. "Scheinrealität" manifestiert. Eine solche Propaganda-Arbeit bzw. die gezielt einseitige Darstellung von Informationen stellt eine gängige Praxis einer jeden Staatsführung sowie von politischen Parteien dar. Aufgrund der häufig negativen Assoziation ist der Begriff jedoch weitestgehend dem Begriff der Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) gewichen.


Eines von mehreren Modellen zum Thema ist das Propagandamodell von Noam Chomsky und Edward S. Herman. Dabei handelt es sich um ein politisch-soziologisches bzw. medienwissenschaftliches Modell, das den manipulativen Einfluss wirtschaftlicher und politischer Interessengruppen auf die Berichterstattung der Massenmedien in Demokratien beschreibt.

Massenmedien als Propaganda-Instrument

"Außenpolitisch dienen Massenmedien der Politik als Propagandainstrumente, um deren Feinderklärungen regelmäßig abzusegnen. Innenpolitisch sind sie das Mittel zur Herstellung von Konsens. Nachrichten, die die Bevölkerung verunsichern könnten, werden unterdrückt oder zumindest so abgemildert, dass an der prinzipiell wohlwollenden Einstellung der politischen Führung kein Zweifel aufkommt. Verbrechen des "Feindes" werden akribisch beleuchtet, während eigene Untaten in das milde Licht der Nachsicht getaucht werden.
Kritik ist nicht verboten, aber ihre Grenzen sind eng gezogen, denn die Medien verstehen sich nicht als Gegner, sondern, gerade in außenpolitischer Hinsicht, als Partner der Regierung." (Noam Chomsky)

Zum Propagandamodell von Noam Chomsky und Edward S. Herman

Das Propagandamodell von Noam Chomsky und Edward S. Herman ist ein politisch-soziologisches bzw. medienwissenschaftliches Modell, das den manipulativen Einfluss wirtschaftlicher und politischer Interessengruppen auf die Berichterstattung der Massenmedien in Demokratien beschreibt. Mit dem Modell von Chomsky und Herman werden systemisch bedingte Tendenzen in den Massenmedien erklärt. Dargestellt wurde das Modell 1988 unter „Manufacturing Consent: the Political Economy of the Mass Media”.

 

Chomsky und Herman haben das Propagandamodell empirisch untersucht und getestet: Dazu haben sie bestimmte Ereignisse untersucht, von denen je zwei objektiv gesehen identisch oder sehr ähnlich waren, wobei jedoch die Interessenlage der entsprechenden Oberschicht in Bezug auf beide stark unterschiedlich war.


Die Theorie beschreibt, wie die Medien ein dezentralisiertes und nicht verschwörerisch handelndes Beeinflussungssystem bilden können, welches in der Lage ist, die Öffentlichkeit manipulativ in die Perspektiven der führenden Oberschicht einzubinden, während gleichzeitig der Anschein normaler demokratischer Prozesse und Übereinstimmungen gewahrt bleibt. Das bedeutet, dass die Menschen weder Manipulationen, noch die Propaganda an sich wahrnehmen. Es wird also bereits völlig automatisch für die meisten beteiligten unbewusst ein systemischer Wahrnehmungsfehler erzeugt, der zu vielen weiteren Wahrnehmungsfehlern führt. Selbst die Medienvertreter selbst können irgendwann die daraus resultierende Wahrnehmungsverzerrung nicht mehr wahrnehmen.


Nach Chomsky ist "die Propaganda für die Demokratie wie der Knüppel für einen totalitären Staat." Dabei geht es nicht darum, dass die Berichterstattung großer Medien-Institutionen zu bestimmten Themen tatsächlich einseitig und interessengeleitet sind: Hier geht es um eine seriös wirkende Berichterstattung der Massenmedien, die bestimmte Dinge und Einflüsse als gegeben darstellt und als Produkt bestimmter Zwänge erklärt. Dazu zählt eine systematische Vorauswahl relevanter Nachrichten und deren Sortierung: Kritische politische Fragen werden z.B. aussortiert, dafür aber banale spektakulär erscheinende Informationen in den Mittelpunkt gerückt.

 

Chomsky und Herman beschreiben fünf Filter, die bestimmte Nachrichten aus den Massenmedien fernhalten. Diese Filterung basiert jedoch nicht auf einer etwaigen Verschwörung, sondern auf Zwängen, die sich im ökonomischen, politischen oder militärischen Kontext ergeben. Chomsky und Herman gehen davon aus, dass die fünf Filter nicht nur in autoritären, totalitären und undemokratischen Staaten erfolgt, sondern auch in jeder demokratischen Mediengesellschaft. Grund dafür sind - wie bereits erwähnt - keine Verschwörungen, sondern ökonomische Abbhängigkeiten aufgrund der Sicherung der enormen benötigten Mittel.

 

Bereits dieser erste Filter sorgt dafür, dass lediglich eine privilegierte Schicht einen gesicherten Zugang zum Medien- und damit auch zum Nachrichtenmarkt bekommt. Der zweite Filter basiert auf der Medienkonzentration auf einige wenige Protagonisten, von denen alle kleineren Medieneinheiten (Zeitungen, Magazine, Radio- und Fernsehsender) abhängig sind. Die Leitung großer Konzerne bestimmt letztendlich, welche Informationen zum Filter 1 passen bzw. sich zu den Abhängigkeiten konformistisch verhalten - und welche Informationen dazu führen könnten, dass politische oder rein wirtschaftliche Abhängigkeiten zu den Geldgebern von diesen Gebern in Frage gestellt werden könnten.

 

Da durch die Konzentration auf einige wenige Großunternehmen das Angebot quantitativ abnimmt und auch der Rezipient der Informationen die Medien anzweifeln könnte, werden zusätzlich kleinere Unternehmen unter einer neuen Corporate Identity gegründet. Bei anderen großen Konzernen ist dies nicht anders. So haben z.B. die meisten Versicherungskonzerne bestimmte Tochtergesellschaften (z.B. günstigere Direktversicherungen) oder lassen ihre Versicherung zusätzlich und für den Kunden unbemerkt unter einem anderen Namen laufen. Bei Telekommunikationsunternehmen ist dies ähnlich. Obgleich sich in der TV-Werbung der Repräsentant von 1 & 1 über die Telekom lustig macht, handelt es sich um ein Tochterunternehmen der Telekom, das einen anderen und vor allem jüngeren Kundenkreis anspricht.

 

Stets geht es darum, eine scheinbar große Angebotsvielfalt und bestimmte Wettbewerbs-Verhältnisse zu suggerieren. In Wirklichkeit sind jedoch immer weniger Anbieter auf dem Markt, die immer mehr Angebote produzieren. Medienangebote von kleineren Sendern vertreten dennoch ganz klar die Interessen des jeweiligen Mutterkonzerns – und dieser vertritt die jeweils wohlwollenste Gesinnung der Politik bzw. des Staates.

 

Daher geht es stets darum, die Bevölkerung auf bestimmte Themen zu fokussieren, auf bestimmte Entscheidungen vorzubereiten und die Menschen für diese Entscheidungen gefügig zu machen. Eine massiv externale Fokussierung auf ein fernes Land und/oder Thema führt z.B. zur Ablenkung von naheliegenden Problemen oder sichert die geistige Haltung der Bürger für bestimmte politische Entscheidungen. Das Sensibilisieren der Bevölkerung für Ungerechtigkeiten in einem bestimmten anderen Land kann aber über Informationen, Bilder und Emotionen eben dazu führen, die Bereitschaft der Bevölkerung für Hilfe und/oder Krieg zu erhöhen.


Allein dadurch, dass die Finanzierung der Medien u.a. durch Werbetreibende oder die Politik erfolgt,  gibt es eine Selbstzensur. Dies ist sogar sehr logisch und plausibel - schließlich  kann in einem solchen Medium nichts mehr publiziert werden kann, das den Interessen der Geldgeber (z.B. der Inserenten) widerspricht. Jedes Medium ist davon abhängig. Ein  Rückgang des Interesses der Inserenten muss also unbedingt vermieden werden. Gehen die Werbeeinnahmen oder die Rundfunkgebühren zurück, geht alles zurück. Daher wird kritische Berichterstattung zu bestimmten Themen gefiltert,  auch um die Kauflaune der Konsumenten nicht zu gefährden.

 

Durch die Abhängigkeit der Massenmedien von Werbeeinnahmen hat sich die inhaltliche Gestaltung der Medien grundlegend verändert. Es geht nicht wirklich um unabhängige kritische Berichterstattung und ebenso wenig um Berichterstattung an den Querschnittskonsumenten, sondern auch darum, sich für potentielle Geldgeber als eine attraktive Werbeplattform darzustellen, welche die höchstmögliche Aufmerksamkeit eines bestimmten, möglichst kaufkräftigen Publikums erhält. und daher den Interessen der Werbeindustrie bzw. ihrer Klienten zuwiderläuft.


Zu diesem kaufkräftigen Publikum zählt auf der einen Seite der „naive Mob“, der regelrecht sinnlos bzw. planlos das immerwährend Neue konsumiert, auf der anderen Seite aber auch Menschen mit hoher Kaufkraft und Streben nach sogenannten High-Involvement-Produkten. Hinzu kommt das strategische Streben auch andere ökonomisch interessanten Konsumenten anzusprechen z.B. Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsstörungen, welche zu einer bestimmten Grundhaltung und zu einem bestimmten Konsumverhalten führen. Oben an steht dabei das Richten der Aufmerksamkeit auf narzisstische Persönlichkeiten, die aus narzisstischen Motiven heraus bestimmte Produkte konsumieren.

 

Die Tendenz des Narzissmus in der Gesellschaft ist dabei steigend. Psychologen sprechen von einer regelrechten Epidemie, die speziell untersucht wird. Die Medien würden unwirtschaftlich arbeiten, wenn sie sich nicht derartigen gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf die Zunahme und Ausbreitung von Persönlichkeitsstörungen stellen würden. Zugleich ist dies mit ein Grund, warum die eigentliche Problematik derartiger Störungen kaum angesprochen und ebensowenig angegangen wird. Eine Unterart des Narzissmus bilden z.B. naiv-aggressive Persönlichkeiten und andere Unterarten, die es medientechnisch zu bedienen gilt.

 

Die Gewährleistung der entsprechenden Medienarbeit - insbesondere bei der Medienberichterstattung – erfolgt zum einen über die bevorzugte Berücksichtigung bestimmter Persönlichkeitstypen bei der Personalauswahl, aber auch durch das Erreichen einer starken inneren Bindung an das jeweilige Medienunternehmen durch Befriedigung bestimmter Motive (z.B. Streben nach Macht, nach Anerkennung, nach Gerechtigkeit etc.). Allein das Gefühl von Verantwortung und Macht, das ein solches Medienunternehmen seinen Mitarbeitern vermittelt, führt nachfolgend zu bestimmten Tendenzen oder hilft dabei, bereits latent vorhandene Tendenzen weiter zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sei noch an das bekannte Milgram Experiment und den Social Cognition Effekt (Sozialer Einfluss) erinnert, das aufzeigt, wie weit Menschen gehen, wenn vermeintliche oder lediglich vorgestellte Autoritäten indirekten Einfluss nehmen. 


Einen ganz entscheidenden Filter bilden auch die Quellen der Massenmedien. Medien sind auf Zulieferer (PR- und Nachrichtenagenturen) angewiesen, die ebenfalls über entsprechende ökonomische Mittel verfügen müssen, um Informationen und Nachrichten möglichst aus erster Hand zu bekommen. Ebenso müssen Nachrichtenagenturen selbst ökonomisch arbeiten. Daher werden oftmal sehr einfache Wege der Informationsgewinnung gewählt z.B. der Besuch von Pressekonferenzen, in denen vorbereitete bzw. vorfertigte Presseerklärungen ausgegeben werden.

 

Nicht selten werden Pressevertreter durch zum Sprachrohr bestimmter – zumeist großer – Institutionen, welche einfache und bequeme Presseerklärungen gewährleisten. Von PR-Agenturen engagierte Experten dienen zusätzlich dazu, Nachrichten zu legitimieren und letzte Zweifel an der Richtigkeit der Informationen zu verwerfen. Die Kompetenz und Abhängigkeit solcher Experten bleibt dabei häufig unhinterfragt, die Information weitestgehend subjektiv. Wie im System der Personalauswahl auch reicht oft bereits ein bestimmter Fachabschluss oder ein anerkanntes Institut im Hintergrund, um bestimmte Informationen zu legitimieren. Pressevertreter, die dieses Problem durchschauen, sind häufig bemüht, dagegen anzugehen. Dabei machen sie einen fatalen Fehler. Sie gehen überkritisch an eine Sache heran. Auch dadurch kommt es zu Verzerrungen, die allein auf einer solchen Grundhaltung und Absicht basieren.


Neben PR-Agenturen sind auch Nachrichtenagenturen zentrale Zulieferer für die Massenmedien. Sie entscheiden darüber, welche Nachrichten relevant sind, welche Ereignisse mitteilenswert sind und zu welchen Ereignissen es nötig ist, Korrespondenten bzw. Reporter zu entsenden. Die Agenturen sollen zwar möglichst objektiv und ohne politische oder ökonomische Färbung vorgehen. Genau dies ist aber – wie man aus der Psychologie z.B. der Wahrnehmungspsychologie weiß – individuell gar nicht möglich. Es ist sogar das Gegenteil der Fall.

 

Hinzu kommt, dass auch die Nachrichtenagenturen davon abhängig sind, dass größere Firmen, Regierungsbehörden oder bestimmte Informationsgeber mit ihnen zusammenarbeiten oder zumindest ihre Arbeit nicht behindern. Allein dadurch kommt es zu einer Informationsfilterung, die im Wesentlichen nach den Interessen der Quellengeber und den Verwertungsansprüchen der Medien im Rahmen eines Nachrichtenmarktes eingefärbt ist. Hinzu kommen sogenannte "Flak" bzw. mögliche negative Rückmeldungen zu bestimmten Informationen oder Statements, von denen die Medien widerum abhängig sind. Bei diesem Filter stehen aber nicht nur ökonomische Interessen im Vordergrund: Vordergründiger sind Machtinteressen von Politik und Großkonzernen.  Durch "Flak" wollen sie Eingriff in die Mediengestaltung bekommen, um den Konsens in der Bevölkerung zu beeinflussen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Werk von Noam Chomsky und Edward S. Herman.

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