Hintergrundwissen "Massenpsychologie" / "Psychologie der Masse"

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Was ist Massenpsychologie?
Die Massenpsychologie ist ein Teilgebiet der Sozialpsychologie und untersucht das Verhalten von Menschen in Menschenansammlungen. Ausgangspunkt der Massenpsychologie war die Tatsache, dass große Menschenmassen ein ganz bestimmtes Verhalten zeigen, das oft "aus dem Ruder läuft" und stark entarten kann. So kann bereits wegen eines relativ unbedeutenden Anlasses eine Massenpanik entstehen, ein Finanzmarkt zusammenbrechen oder sich Menschengruppen in bestimmten Situationen geradewegs in Bestien verwandeln.

 

Ein Beispiel aus der Geschichte: Die Mörder der Batavia
Als 1629 ein stolzes Schiff namens Batavia mit 342 Menschen (
Kaufleuten, Matrosen, Soldaten, Frauen und Kindern) an Bord nach Ostindien aufbrach, ahnte niemand, dass sich die Reise zu einem der grauenvollsten Desaster der Menschheitsgeschichte entwickeln würde. Bereits während der Überfahrt kam es zu Disziplinlosigkeiten und Übergriffen. Auf dem engen Raum von Schiffen war ein solches Verhalten nicht selten, weshalb eine derartige Reise mit einer großen Gruppe nur unter Einhaltung strengster Disziplin und härtesten Strafen erfolgen konnte.

 

Heute denkt man wieder anders. Man will moderner und humaner Denken und Handeln. Dabei wird jedoch vergessen, wie der Mensch nun einmal funktioniert, erst recht in der Masse. Ein wenig Psychologie-Nachhilfe täte manchem naiv weltfremden Schreibtisch-Politiker ohne Psychologie-Kenntnisse gut, um zu verstehen, dass auch in der heutigen Zeit bestimmte Phänomene, insbesondere kulturelle und religiöse eben angesichts des Konzepts der Masse eben nicht mit Diskussionen zu regeln sind. Zurück zur Batavia:  

 

Nachdem das Schiff am 14. Juni 1629 auf ein Riff vor der australischen Westküste lief, brach Chaos aus. Die meisten Menschen konnten sich jedoch auf eine winzige unbewohnte Insel retten. Dort ging das eigentliche Unheil dann erst richtig los. Unter den Überlebenden bracht das Grauen aus. Nicht etwa wegen Hunger und Not. Normale Menschen unter der Führung des vermeintlich ehrbaren Kaufmanns Jeronimus Cornelis errichteten über die Bildung von Gruppen eine Schreckensherrschaft. Der besagte ehrbare Kaufmann ließ sich - ähnlich wie der Wiedertäufer Jan van Leyden in Münster dies zuvor tat (eine andere, sehr ähnliche Tragödie der Geschichte) - zu einer Art König krönen.

 

Es entwicklelte sich in kürzester Zeit eine Schreckensherrschaft, bei der sich eine Gruppe von Menschen zu grausamen Bestien entwickelte und die anderen zu Opfern und Sklaven machte, die man ausreinem Vergnügen quälte und abschlachtete. Niedertracht und Mord wurde für viele geradewegs zu einem Hobby. Die Frauen wurden vergewaltigt, die Überlebenden Mensch für Mensch der Reihe nach gequält und ermordet. Die Anführer schmückten sich mit den Schätzen aus den geborgenen Schatztruhen und spielten König und Wohltäter.

 

Übertragung ins Heute
Wer sich einmal mit einer derartig abstrusen Terrorherrschaft anhand der immer noch tadellos erhaltenen einsehbaren Gerichtsakten im Detail auseinandergesetzt hat und die Psychologie der Übeltäter studiert hat, muss wissen, dass heute ebensolche harmlos wirkenden Menschen
aufgrund ihrer masochistischen Züge erneut dabei sind, ein solches Unheil herbeizuführen. Ein jeder trägt die Anlagen mit sich. In der passenden Gruppe brechen diese aus und können sich voll entfalten, schließlich gibt der Einzelne seine Verantwortung und Moral an die Gruppe oder den Anführer einer Gruppe ab.

 

Oft berufen sich die Täter auf das in der Gruppe geltende Recht (z.B. Nürnberger Prozesse), selbst wenn dieses Recht im Nachhinein bzw. für Außenstehende noch so abstrus ist. In der Gruppe - erst recht in der großen breiten Masse - wirkt es, zählt es.

Ein anderes Recht gibt es dann nicht mehr. Nur das der Gruppe im Moment. Das Gefühl von Täterschaft und Moral erlischt, wird im Keim erstickt oder kommt gar nicht erst auf. So perfide wirken Gruppen-Systeme, in denen kaum einer mehr erkennen kann, wann genug ist und ab wann es kriminell wird. Eine besondere Rolle spielen - neben den Anführern einer solchen Gruppe - die vielen Mitläufer, die sich regelrecht mitreißen lassen und sich im Recht fühlen.

 

Ist dies heute anders? Nein. Im Jahre 2015 "wiegelt" der Deutsche Justizminister die Öffentlichkeit kommunikativ auf, sich gegen Andersdenkende (z.B. gegen Pegida oder ähnliche Demonstranten) zu stellen -und das unabhängig vom Dermonstrationsrecht sowie vom Recht auf freie Meinungsäußerung. Ein Justizminister, der das Grundgesetz vergisst? Ja, auch das ist möglich. Er selbst ist Teil einer Gruppe - und diese Gruppe fühlt sich sicher und bastelt sich - trotz geltenden Rechts - dann ihr eigenes Welt- und Rechtsbild zusammen. Obwohl dies kein Einzelfall, sondern aus Sicht von Sozial- bzw. Massenpsychologen alltäglich ist, muss ein Politiker, dazu ein Justizminister  in solch einer Position eigentlich wissen, zu welchen Verbrechen so etwas nach den psychologischen bzw. sozialwissenschaftlichen Regelwerken führt, erst recht dann, wenn er damit eine bestimmte hasserfüllte radikale Gruppe von Menschen anspricht, die (wie unter "Chronologie zur Deutschland-Krise" nachzulesen ist) nachfolgend Straftaten planen.

Ein Justizminister der zu Straftaten aufruft? Ja, Menschen müssen verstehen, dass ein jeder, der durch seine Position, seinen Rang oder seine soziale Stellung vermeintlich ehrbar erscheint, sich zu einem
Jeronimus Cornelis oder einem Jan van Leyden entwickeln kann und andere dann zu Mitläufern werden, die alles kurz und klein schlagen, Menschen beschimpfen und verspotten, Menschen quälen und töten. Erst später werden solche Menschen dafür zur Rechenschaft gezogen, jedoch erst, wenn die jeweilige Gruppe enttarnt wird, zerfällt oder an Macht verliert. Gewiss soll keiner dieser Täter und Mitläufer hier in Schutz genommen werden, weder der Justiminister, noch die Angeklagten der Nürnberger Prozesse - dennoch muss gesagt werden, dass die Täter und Mitläufer dies selbst gar nicht so recht mitbekommen. Zu stark wirkt die Psychologie der Masse sowie der Social Cognition Effect.  

 

Bei den Nürnberger Prozessen wurde kaum einer verschont. Ebenso wenig wird dies irgendwann einmal der Fall sein, wenn die Rädelsführer und evtl. Mitläufer des aktuellen Systems später einmal auf der Anklagebank sitzen werden, sofern andere Staaten eingreifen. Aus der aktuellen Sicht der Masse wäre dies natürlich kaum vorstellbar. Schließlich sind wir alle Teil einer Masse und Bestandteil verschiedener Gruppen, bewusst oder unbewusst. Wir alle können zu Tätern und Opfern werden. Die einen bekommen es mit, die anderen nicht und einige erst später - wenn eine solche Gruppe sich auflöst. Der Herdentrieb ist menschlich, dennoch aber fatal und dazu urprimitiv. Wer meint, dass er sich selbst davon frei machen könne, hat weit gefehlt. Daher sollte das Konzept der Massenpsychologie wie auch andere Aspekte der Sozialpsychologie bereits sehr früh in den Schulen unterrichtet werden, damit weder ein Adolf Hitler, noch ein Täter der heutigen Regierung wieder Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiten kann. Bildung ist wichtig, ein Rückblick in die Geschichte ist es auch.

 

In großen Gruppen wird alles möglich, was sonst nicht möglich ist
Noch heute sind die Spuren der damaligen Barbarei der Schiffbrüchigen auf den unbewohnten Inseln zu sehen. Verwitterte Skelette der Ermordeten und Galgen erzählen noch heute von Monaten der Gewalt und Anarchie - und ebenso von niedrigsten Instinkten und den möglichen Auswüchsen des menschlichen Gehirns. In großen Gruppen wird alles möglich, was der Einzelne eben nicht tun würde.

 

Sozialer Druck & Pluralistische Ignoranz

Ebenso werden wichtige Entscheidungen in einer Gruppe nicht von einzelnen Individuen getroffen, sondern von der Masse selbst herbeigeführt, die bewusst (oder zumeist sogar unbewusst) auf den Einzelnen Druck ausübt (Siehe Sozialer Einfluss / Soziale Einflussnahme sowie die speziellen Studien von Davis und Harless, 1996. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich der Einzelne dem Verhalten einer Gruppe unterordnet bzw. beugt (Siehe dazu z.B. Pluralistische Ignoranz) oder sich menschlich unmoralisch verhält (siehe dazu u.a. Zuschauer-Effekt / bystander-effect / Non-helpling-bystander-effect.

 

Wirkung der Masse auf Märkte
Wie die Geschichte an unzähligen Beispielen aufzeigt, sind große Menschenmassen in der Lage gewesen, plötzliche und sehr dramatische soziale Veränderungen außerhalb der etablierten Rechtsprozesse zu vollziehen. Daher gibt es neben den Befürwortern der kollektiven Zusammenarbeit auch sehr viele Kritiker. Interessant ist auch die Wirkung der Masse auf Märkte. So wird in der Finanzmarktpsychologie z.B. das Anlegerverhalten untersucht. Zugleich wird davon ausgegangen, dass das Verhalten von Massen für Aktienwerte und Börsencrashs verantwortlich ist.

 

Beispiel: Börsencrash
Bereits im Jahre 1637 löste das Massenverhalten den ersten bekannten und sehr erschütternden Börsencrash der Menschheitsgeschichte aus, bei dem viele ihr gesamtes Vermögen verloren. Damals ging es speziell um den Handel mit Tulpenzwiebeln, die international sehr begehrt waren. Bereits ab 1593 gab es eine regelrechte Tulpomanie, denn die Tulpe galt als Statussymbol der Vermögenden und ihre Zwiebeln wurden zuletzt gehandelt wie Gold. Irgendwann überstieg die Nachfrage das Angebot und die Preise schnellten in die Höhe. Finanzierungs- und Kreditgeschäfte erblühten ebenso wie Auktionen und Börsen. Immer mehr Menschen wollten an den enormen Preissteigerungen und Börsengewinnen teilhaben. Da gerissene Spekulanten sich verspekulierten, brach irgendwann die Börse zusammen. 

 

Ein sogenannter "Run" oder "Crash" gehört eben nicht nur zur Finanzpsychologie, sondern auch zur Massenpsychologie, schließlich geht es um jene, die kaufen und verkaufen und sich dabei stets von den vielen anderen bzw. von der Masse treiben lassen. Massenpsychologie hilft zur Erklärung der Finanzmarktdynamik, schließlich ist der Zyklus von "Boom" und "Krise" ist ein wichtiges natürliches Element, das die Masse der Marktteilnehmer und ihr Denken, ihre Gefühle (wagemutig, gehemmt, ängstlich, risikofreudig)  und ihr Verhalten (Kauf, Verkauf) anbetrifft, ebenso das Ansteckungsverhalten.

 

Theorien und Streitpunkte
In den Sozialwissenschaften und der Sozialpsychologie gibt es die unterschiedlichsten Theorien zur Erklärung und Erläuterung massenpsychologischer Phänomene. Bei sämtlichen Theorien und Erklärungen geht es stets darum, wie sich das Gruppenverhalten vom Verhalten der einzelnen Individuen unterscheidet.

 

Ansteckungstheorie
Eine frühe Theorie zum kollektiven Verhalten in großen Gruppen hat der französische Soziologe Gustave Le Bon mit seinem Hauptwerk "Psychologie der Massen" im Jahre 1895 formuliert. Seine Theorie nennt man "Ansreckungstheorie" oder Contagion theory. Demnach haben soziale Gruppen eine regelrecht hypnotische Wirkung auf ihre Mitglieder. Da sie durch die Anonymität der Menge geschützt sind, geben Menschen ihre persönliche Verantwortung auf und ergeben sich den regelrecht ansteckenden Gefühlen der Masse.

 

Gruppen entwickeln dadurch ein Eigenleben, das sich vom normal üblichen Verhalten des Einzelnen deutlich abhebt. Viele Menschen werden praktisch eins. Der Einzelne gibt seine Verantwortung an die Gruppe ab, weshalb er sich selbst verantwortungslos verhalten kann. Die Gefühle, die in einer Gruppe aufkommen, erst recht dann, wenn diese Gruppe besonders groß ist, wecken starke Emotionen und verleiten zu irrationalem Handeln. Le Bons Arbeiten bildeten die Basis für Sigmund Freuds Studie "Massenpsychologie und Ich-Analyse". Eine Weiterentwicklung unternahm dann Wilhelm Reich (1933) mit seinem Werk "Die Massenpsychologie des Faschismus". Als Beispiel für die Theorie Le Bons sei hier das Geschehen nach dem Untergang der Batavia genannt.

Annäherungstheorie / Convergence theory
Die Annäherungstheorie geht davon aus, dass Massenverhalten nicht von der Masse selbst ausgeht, sondern von einzelnen Individuen in die Gruppe hineingetragen wird. Während die Ansteckungstheorie besagt, dass Gruppen Menschen zu einem bestimmten Handeln veranlassen, besagt die Annäherungstheorie dass Menschen, die in einer bestimmten Weise handeln wollen, sich lediglich zusammenschließen. Als Beispiel für die Annäherungstheorie sei hier das oben erwähnte Verhalten des besagten Justizministers zu nennen. Individuen oder kleine Gruppen stacheln andere quasi auf. Sie wirken wie Motivatoren.

 

Beide Theorien haben ihre Berechtigung. Dadurch lassen sich die unterschiedlichsten Massenphänomene separat untersuchen und gezielt erklären.