Hintergrundwissen "Linguistic Intergroup Bias"
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Die Bezeichnung "Linguistic Intergroup Bias" bezieht sich auf kommunikative Verzerrungen (Sprachverzerrungen) im Intergruppenkontext. Dabei handelt es sich um einen sozialpsychologischen Ansatz, der sich mit den o.g. subtilen sprachlichen Mechanismen der Kommunikation befasst - hier konkret zwischen Gruppen.
Basis ist das linguistische Kategorienmodell nach Semin und Fiedler, bei dem vier Kategorien in ihrer Abstraktion unterschieden werden, die jeweils Rückschlüsse auf die involvierte Person ermöglichen. Auf Basis vorangegangener Untersuchungen, die verdeutlichten, dass Kommunikation auch durch bestimmte Gruppenzugehörigkeiten beeinflusst wird, gingen Maass und sein Team davon aus, dass die jeweils eigene Gruppe favorisiert wird und sich diese Bevorzugung auch im Gebrauch der jeweiligen Sprache niederschlägt, wobei man in diesem Zusammenhang zugleich davon ausging, dass die Favorisierung der eigenen Gruppe auch zu einer sprachlichen Diskriminierung der jeweiligen Fremdgruppe führt.
Um dies letztendlich nachzuweisen, wurde ein Experiment durchgeführt, bei dem der Sprachgebrauch am Beispiel entsprechender Gruppenzugehörigkeiten untersucht wurde. Die Untersuchung erfolgte
anhand von echten Teammitgliedern (Jockeys) im Rahmen des "Palio di Ferrara". Da es sich bei dem besagten Wettstreit (der im Jahre 1279 von der Stadt Ferrara offiziell eingeführt - und seit 1869
ohne Unterbrechung jedes Jahr abgehalten wird) um das vermeintlich älteste Pferderennen in dieser Form handelt, stellte der (für den Teamgeist unterschiedlicher Gruppen) sehr authentische -
Wettbewerb eine sehr gute Untersuchungs-Basis dar.
Den Versuchspersonen (Clubmitglieder, die am sogenannten "Palio" teilnahmen) wurden jeweils 16 Bilder mit angeblich wahren Begebenheiten) gezeigt, in denen ein Mitglied des eigenen oder des
gegnerischen Clubs bei einer Handlung gezeigt wurde. Die gezeigten Bilder enthielten zum Teil negative und zum Teil positive Handlungen. Auch zeigten die Bilder zum Teil nur die Akteure allein
und zum Teil die Akteure im Zusammenspiel mit anderen. Dabei ging es um allgemeine Handlungen, die mit dem Wettstreit in keiner Verbindung standen und solche Handlungen, die sich konkret auf den
Wettstreit (z.B. auf Pferde) beziehen.
Nachfolgend sollten die gezeigten Bilder von den Versuchspersonen (mittels Auswahl einer von jeweils vier Beschreibungen) beschrieben werden. Auch sollten die Versuchspersonen die Erwünschtheit
der jeweiligen Handlung auf einer entsprechenden Skala bewerten.
Im Ergebnis des Experimentes zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der gewählten sprachlichen Beschreibung und der Erwünschtheit der jeweiligen Handlung bei der eigenen Gruppe oder der
fremden Gruppe. Für das positive Verhalten der eigenen Gruppe wurden überwiegend abstrakte Beschreibungen gewählt - für das negative Verhalten der Eigengruppe überwiegend konkrete Beschreibungen.
Für die Fremdgruppe gilt das Gegenteil. Hier wurde die Neigung deutlich, positives Verhalten mit konkreten Umschreibungen und negatives Verhalten abstrakt zu beschreiben.