Hintergrundwissen "Halo-Effekt / Hof-Effekt"

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Einleitung
Der Halo-Effekt ist ein Wahrnehmungsfehler in Form einer kognitiven Verzerrung.

Mit dem Halo-Effekt wird das Phänomen beschrieben, dass eine bestimmte Eigenschaft einer Person, die wahrgenommen wird, alle anderen Eigenschaften dieser Person so stark überstrahlt, dass das Gesamtbild völlig verzerrt wird. Von einer oder wenigen bekannten Eigenschaften einer Person (z.B. Verhalten, Daten) ziehen wir automatisch Rückschlüsse auf unbekannte Eigenschaften.

 

Hintergründe
Die Wahrnehmung von einer Person orientiert sich an wenigen hervorstechenden Eigenschaften. Wir betrachten ein Merkmal einer Person als besonders charakteristisch und zentral für die Person und bilden eine dazu passende Gesamtassoziation. Alle anderen Eigenschaften werden übersehen.

 

Bestimmte Eindrücke wirken auf den Beobachter so stark, dass sie alle anderen Wahrnehmungen überstrahlen. Die weiteren Eindrücke orientieren sich nachfolgend daran. Beim Halo-Effekt erzeugen einzelne teilweise unwesentliche, beiläufige Eigenschaften einer Person einen Gesamteindruck, der die weitere Wahrnehmung von der beurteilten Person überstrahlt, so dass dieser in seiner Gesamtheit  vorwiegend nach dieser Eigenschaft beurteilt wird.

 

Dabei wird zumeist von leicht zu beobachtenden Eigenschafts-Merkmalen auf schwer beobachtbare Eigenschafts-Merkmale geschlossen. Oftmals ist es das Aussehen, das diesen Überstrahlungs-Effekt auslöst. Es kann aber auch jede andere Eigenschaft sein, sofern sie über entsprechendes Verhalten wahrgenommen wird. 

 

Ganz einfach ausgedrückt, könnte man zum Halo-Effekt - zumindest in Bezug auf optische Eindrücke sagen: "Das Auge isst mit." Das bezieht sich nicht nur auf Essen, sondern auf alle Lebens- und Arbeitsbereiche. Sprachlich abgeleitet bedeutet "Halo" "Lichthof" oder "Hof" des Mondes. Besonders stark wirkt der Effekt, wenn dem Beobachter die konkret wahrgenommene Eigenschaft besonders wichtig ist.

 

Was geschieht beim Halo-Effekt?
Wird eine Person von einer (aus unserer subjektiven Sicht heraus) positiven Eigenschaft überstrahlt, so schreiben wir dieser Person zugleich alle anderen positiven Eigenschaften zu. Überstrahlt hingegen eine negative Eigenschaft, so unterstellen wir der betreffenden Person zugleich alle möglichen weiteren negativen Eigenschaften. Die entsprechenden weiteren Eigenschaften, die einer Person zugeschrieben werden, stehen in keiner zwingenden Verbindung zu der speziell wahrgenommenen Eigenschaft, die alles andere überstrahlt.

 

Beispiel Personalauswahl
Wenn z.B. ein Personalentscheider erfährt bzw. liest, dass ein Bewerber auf eine bestimmte Stelle eine ganz bestimmte Ausbildung (z.B. Diplom-Betriebswirt) hat und er generell meint, dass Menschen mit dieser konkreten Eigenschaft (Studium, Ausbildung) qualifiziert sind, wird er automatisch (unbewusst) davon ausgehen, dass der Bewerber zugleich grundsätzlich alle anderen Eigenschaften mitbringt, die zur Ausübung der Stelle gewünscht sind (z.B. Führungsfähigkeit, analytisches Denken, Intelligenz, gute Auffassungsgabe, Mitdenken usw.). Dass sowohl die Aufassungsgabe wie auch andere Fähigkeiten des betreffenden Bewerbers in Wahrheit stark eingeschränkt sind, wird der Personalentscheider weder wahrnehmen noch wahrhaben wollen, selbst dann nicht, wenn er ihm konkrete Indizien dafür vorliegen. Bei einer derart positiven Verzerrung spricht man auch vom sogenannten Heiligenschein-Effekt.

 

Heiligenschein-Effekt in der religiösen Kunst
Den Überstrahlungseffekt kennen wir auch aus der religiösen Kunst in Form der Symbolik des Heiligenscheins, der aus einem Menschen einen Heiligen macht, dem dann automatisch alle positiven Eigenschaften zugeschrieben werden.


Geschichte
Erstmals wurde der Halo-Effekt 1907 von Frederic L. Wells untersucht. Der Begriff selbst wurde von Edward Lee Thorndike eingeführt. Die US-Psychologen Edward Lee Thorndike und Gordon Allport untersuchten während des ersten Weltkrieges wie Offiziere ihre Soldaten beurteilten. Sie fanden heraus, dass Offiziere ihren Soldaten dann so ziemlich alle Fähigkeiten zutrauten, wenn sie attraktiv waren und eine gute Körperhaltung hatten. Auffallend war insbesondere folgendes: Während einige "Supersoldaten" in fast allen Bereichen hervorragende Noten erhielten, wurden andere in fast allen Bereichen unterdurchschnittlich bewertet.

 

Beispiel Medizin
Untersuchungen ergaben auch, dass Ärzte Patienten dann als schwerer bzw. ernsthafter krank einstuften und bevorzugt behandelten, wenn sie ungepflegt aussahen bzw. auch so bekleidet waren. Patienten, die sich vor dem Besuch des Krankenhauses bzw. Arztes noch frisierten und gut anzogen, warteten länger. Sie erhielten bei gleicher Krankheit eine weniger genaue Untersuchung und eine wenig gravierendere Diagnose. Einige wurden sogar nach Hause geschickt.

 

Beispiel Journalismus
Ohne sich mit Hintergründen detailliert auseinanderzusetzen und Zusammenhänge stärker zu durchdringen, geben sich Journalisten schnell mit einer Story zufrieden, die allein durch den Halo-Effekt geprägt wird.

 

Beispiel Gericht
Der Halo-Effekt tritt insbesondere bei der Beurteilung von Menschen inklusive der Bewertung von Sachlagen auf. Der Halo-Effekt suggeriert dem Beobachter (z.B. Richter) einen Kontext, der im Prinzip über alle Indizien und Beweise erhaben ist. Ein bestimmtes Äußeres einer beschuldigten bzw. angeklagten Person sowie bestimmte Eigenarten des vertretenden Rechtsanwaltes beeinflussen nachgewiesenerweise sowohl die Urteilsfindung als auch das Maß des Urteils maßgeblich.

 

Wer glaubt, dass es hier nur um Sympathie oder Antipathie geht, hat die mächtige Wirkung des Halo-Effektes noch nicht verstanden. Selbst wenn der Richter aufgrund seines Wissens um den Effekt bemüht ist, eine Person eben nicht aufgrund ihrer z.B. besseren außeren Erscheinung zun beurteilen, wird das Urteil verzerrt - allein schon deshalb, weil man (der Richter oder aber der Beschuldigte/Angeklagte selbst) um Vermeidung einer solchen Wahrnehmung bemüht ist, andere Eigenschaften vernachlässigt wahrgenommen werden und man bestrebt ist, den Gegner nicht zu übervorteilen.

 

Halo-Effekt in Werbung und Marketing
Der Halo-Effekt wird insbesondere in der Werbung zur Beeinflussung der Wahrnehmung und Beurteilung in eine bestimmte positive und konsumorientierte Richtung genutzt. Er hat eine entsprechende Image-Wirkung.

"Image" bezieht sich auf Marktpsychologie und die Psychologie der Wirkung. Image ist die bedeutungsgeladene Ganzheit der Wahrnehmungen, Vorstellungen, Ideen und Gefühle, die Menschen von anderen Menschen oder von irgendeiner Gegebenheit haben. Auf dieser Deutung bzw. Beurteilung basieren alle Handlungen (z.B. Kundenverhalten), Entscheidungen (z.B. Kaufentscheidung) und Wertschätzungen (Bereitschaft, einen bestimmten, ggf. höheren Preis zu zahlen) sowie der jeweilige Status (gesellschaftliches Ansehen, Ansehen bei Kunden).

 

"Image" ist daher zu einem der Schlüsselbegriffe der Marktpsychologie geworden. Wie der Halo-Effekt selbst, zählt auch die Imagepsychologie zur sozialen Wahrnehmung (Sozialpsychologie). Einer der wichtigsten Leitsätze der Image-/Marktpsychologie lautet: "Nicht die objektive Beschaffenheit einer Ware ist die Realität, sondern einzig die Verbrauchervorstellung und das Verbrauchererlebnis, d.h. das anschaulich Angetroffene." Einer der wichtigsten Leitsätze der Image- und Wahrnehmungspsychologie lautet: "Wir sehen nicht das, was da ist, sondern das, was wir sehen wollen." oder "Die Realität ist das, wofür wir sie halten."

 

Rückkopplung
Insbesondere in Bezug auf Image-, Werbe- und Marketing-Ziele sei erwähnt, dass der Halo-Effekt auch eine Rückkopplungsfunktion hat, die hier im Rahmen der Schleichwerbung genutzt wird. So schließen wir nicht nur von einer Detail-Eigenschaft auf eine Person oder Sache, sondern erhalten zugleich eine Qualitäts-Aussage: Ordnen wir z.B. eine Aussage (z.B. Partei X ist schlecht) einer vom Rezipienten positiv bewerteten Person (z.B. (Held) oder Sache (z.B. Errungenschaft) zu, so führt dies dazu, dass der Held (versteckt) für die Aussage (Partei X ist schlecht) wirbt. Die Botschaft: "Wer zu mir als Held steht und selbst ein Held sein möchte, der darf diese Partei nicht wählen". Umgekehrt funktioniert das auch. Nachfolgend ein Beispiel aus der politisch-medialen Propaganda:

Nutzung des Rückkopplungs-Effekts in der politisch-medialen Propaganda
Laut "Philosophia-perennis" wurden in der ARD-Serie "Polizeiruf 110" vom 11.11.2018 Hinweise in Form von Stickern und/oder Flyern/Plakaten linksradikaler Art geschickt im Hintergrund versteckt, die mit der positiven Persönlichkeit der Heldin in Verbindung gebracht werden sollen und somit zu einer Botschaft führen. Dort wurden Anti-AfD-Aufkleber, Antifa-Plakate und Sticker der linksextremistischen Punkband „Feine Sahne Fischfilet prominent gezeigt und der "Heldin" zugeordnet.

Auf ihrem Computer und an der Pinnwand waren unter anderem „FCK NZS“- und „FCK AFD“-Aufkleber (Kurzform für „Fuck Nazis“ und „Fuck AfD“) zu sehen. Zudem wurden den Zuschauern die Regenbogenflagge präsentiert, das Symbol der Lesben- und Schwulen-Bewegung.“ 

 

Auch "Journalistenwatch" berichtet über die Beobachtung in Bezug auf die Serie "Polizeiruf 110" und meint: "Der Sender will die Zuschauer für dumm verkaufen"

Doch leider sind sie das, denn die Wirkung derartiger Image-Schleich-Kampagnen ist erstaunlich hoch. Der öffentliche-rechtliche Rundfunk möchte damit erreichen, dass sich die Zuschauer angesichts der "Heldin" a) mit linksradikalen Aussagen identifizieren und b) sich gegen die neue Opposition wenden, diese zumindest nicht wählen. Ob dies mit Demokratie und Rechtsstaat vereinbar ist, sei dahingestellt. Hier geht es lediglich um das Aufzeigen eines von Hunderten Beispielen dieser Art im Sinne der versteckten Manipulation. Trotzdem soll nivcht zúnerwähnt bleiben, dass die AfD laut "Journalistenwatch" mitteilte, beim Rundfunkrat Beschwerde gegen den NDR einzulegen.

 

Stärken-Schwächen-Wahrnehmung
Der Halo-Effekt bezieht sich auf die Wahrnehmung von Stärken und Schwächen und führt zu einer regelrechten "Verblendung". Dies geschieht in einer derart starken Form, dass wir die konkreten Stärken und Schwächen von Menschen nicht mehr differenzieren können.

 

Daher versteht man in der Sozialpsychologie und Wahrnehmungspsychologie unter dem Halo-Effekt die Tendenz, faktisch unabhängige oder nur mäßig zuschreibbare Eigenschaften von Personen oder Sachen fälschlicherweise als zusammenhängend wahrzunehmen. Einzelne Eigenschaften einer Person (z.B. Attraktivität, Brille, sozialer Status) erzeugen einen pauschal positiven oder einen pauschal negativen Eindruck, der die weitere Wahrnehmung von der betreffenden Person überstrahlt und so den Gesamteindruck unverhältnismäßig beeinflusst.

 

Häufigkeit
Der Halo-Effekt ist ein normaler Wahrnehmungsfehler, der immer passiert. Man kann ihn nicht ausblenden, nur verstärken. Besonders häufig tritt der Effekt auf, wenn sich die zu beurteilende Person durch besonders hervorstechende, ausgeprägte Eigenschaften oder Verhaltensweisen auszeichnet bzw. bestimmte Informationen vorliegen.

 

Ausprägung
Der Einfluss des Halo-Effekts wirkt dann besonders stark, wenn die beurteilende Person auf eine bestimmte Eigenschaft, eine Verhaltensweise oder ein Merkmal besonderen Wert legt (ggf. Überbewertung). Besonders stark wirkt der Effekt ach auf Personen, die ihre sogenannte "Menschenkenntnis" (bzw. implizite Persönlichkeitstheorien) nutzen und sogar davon überzeugt sind.

 

Schutzmöglichkeiten
Wie bei anderen Wahrnehmungsfehlern auch, so gibt es gegen den Halo-Effekt keinen wirksamen Schutz. Der Effekt wirkt selbst bei entsprechender Informiertheit des Beobachters. Dennoch kann gesagt werden, dass der Halo-Effekt bei geringer Motivation und Informiertheit stärker wirkt.

Antwortverzerrung bei Befragungen oder Tests
Der Halo-Effekt kann auch bei Befragungen oder Tests auftreten. Einzelne Fragen können andere z.B. dann überstrahlen, wenn die vorausgehende Frage bestimmte Gedanken oder Gefühle auslöst. Die Antwort der nächsten Frage wird dadurch beeinflusst. Ausdiesem Grund wird der Halo-Effekt auch bei sogenannten Trickfragen eingesetzt. Auch findet er Berücksichtung im Bereich der persuasiven Kommunikation.

Versuch der Minimierung von Halo-Effekten
Für eine möglichst objektive Beurteilung müssen Beurteiler bestrebt sein, Halo-Effekte möglichst zu minimieren. Dies ist jedoch nur schwer möglich. Wichtig ist, dass Beurteiler von Profis im Hinblick auf den Effekt sensibilisiert werden. Auch ist es wichtig, jedes einzelne Merkmal getrennt für sich zu untersuchen. Eine Lehrkraft kann dies z.B. bei der Korrektur von Klausuren und Prüfungen durch sogenannte "Querkorrektur" berücksichtigen. Sie wird den Effekt aber niemals komplett ausschließen können. Bereits eine bestimmte Schrift beeinflusst die Gesamtbeurteilung. Der Lehrer bzw. Prügfer kann sie nicht ausblenden. Allein das Weglassen oder Herausstellen bestimmter Informationen erzeugt bzw. beeinflusst den Effekt.

 

Anwendung & Problematik
Schwerpunktmäßig wird der Effekt in der Sozialpsychologie untersucht. Er findet aber auch in der Image-/Marktpsychologie und in der Werbepsychologie Anwendung. Darüber hinaus wird der Effekt in der Rhetorik - insbesondere in der persuasiven Kommunikation - zum Zwecke der Übervorteilung (bewusst geplant) genutzt. Im Beurteilungswesen und in der Entscheidungsfindung sollte er vermieden werden. Genau dies ist jedoch schwierig bis nahezu unmöglich.

 

Darüber hinaus besteht die gegenteilige Tendenz, dass Menschen dem täuschenden Halo-Effekt sogar geradewegs mit Vorliebe verfallen: Insbesondere Personen, die ihre sogenannte "Menschenkenntnis" (bzw. implizite Persönlichkeitstheorien) nutzen und sogar davon überzeugt sind, unterliegen allein durch ihre Überzeugung von ihrer eigenen Beobachtungs- und Beurteilungsgabe dem Effekt in aller Vehemenz.

 

Zusammenhänge

Der Halo-Effekt steht in einem Zusammenhang mit der Theorie der sozialen Wahrnehmung und den damit verbundenen Wahrnehmungsfehlern (z.B. Stereotype, Stereotypisierte Kopplung, Ähnlichkeitsfehler, Selbsterkennungs-/Sympathie-Fehler, Projektionsfehler, Attributionsfehler, Anwesenheitsfehler) bzw. Wahrnehmungsverzerrungen, Effekten (z.B. Hierachie-Effekt, Social Role-Effekt, Bezugspersonen-Effekt) und Prinzipien (z.B. YAVIS-Prinzip).

 

Als soziale Wesen bilden wir uns stets einen Eindruck von anderen Menschen und ziehen daraus Rückschlüsse. Bei der Einschätzung anderer Menschen schließen wir aus Verhalten oder Unterlassen auf deren Einstellung und leiten daraus entsprechende Rückschlüsse ab. Nicht selten sind diese Rückschlüsse falsch.

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