Hintergrundwissen "Der Geruchssinn" / "Geruchliche (olfaktorische) Beeinflussung

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Olfaktorische Wahrnehmung, die sich auf Gerüche bzw. das Riechen bezieht, unterliegt durch die Aufnahme und Verarbeitung von Riech- und Duftstoffen subjektiven Beurteilungen, die von angenehm / unangenehm über sympathisch / unsympatisch bis hin zur Ablehnung und Aggression reichen.

 

Unter olfaktorischer Wahrnehmungsbeeinflussung versteht man die Beeinflussung der Wahrnehmung und sämtlicher Beobachtungs-, Denk-, Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse, die über den Geruchsinn erfolgen. Der ist wichtiger, als viele annehmen: Gleich nach der Geburt finden menschliche Säuglinge, die noch nicht gut sehen können, den Weg zur mütterlichen Brust allein deshalb, weil sie die Milch riechen und der Geruchsquelle folgen. Der Geruchssinn bleibt für den Menschen zeitlebens wesentlich - und das nicht nur im Hinblick auf die Nahrungsauswahl.

 

Viele wesentliche Entscheidungen trifft der Mensch allein über den Geruchssinn,
weil insbesondere das Riechen eng an Gefühle und Erinnerungen gekoppelt ist und diese den Mensch schwerpunktmäßig leiten. Gerüche bzw. Düfte entscheiden über das Entstehen von Gefühlen wie Sympathie oder Antipathie, lassen einen attraktiv, kompetent, authentisch und anziehend wirken oder bewirken das genaue Gegenteil.

 

Das Schlimme ist, dass wir Gerüche nicht immer bewusst wahrnehmen. Viele überlassen ihren Eigenduft oder den Geruch ihrer Wohnung oder ihres Büros gar dem Zufall, obwohl sie damit die Einstellung und das Verhalten ihrer Besucher z.B. Kunden deutlich in eine bestimmte Richtung gehend beeinflussen. Gerüche und Düfte entscheiden darüber, ob sich ein Mensch wohl fühlt und bleibt oder am liebsten sofort kehrtmacht und sich im wahrsten Sinne des Wortes "verduftet", allein deshalb, weil der betreffende Raum "verduftet" ist.

 

Nicht jeder merkt, wenn es stinkt. Gerüche und Düfte wirken zumeist unbewusst und unterschwellig, obwohl sie direkt und unmittelbar im Limbischen System unseres Gehirns wirken und dort starke und nachhaltige Gefühle erzeugen. Diese Gefühle entscheiden darüber, ob jemand bleibt und kauft, ob jemand sich verliebt oder ob jemand sich ablehnend verhält oder gar aggressiv wird. Gerüche bzw. Düfte beeinflussen auch das Hungergefühl und den Drang, zu bestimmten Genussmitteln zu greifen.

 

Insbesondere in der Frühzeit der Menschheit hatte der Geruchssinn eine wichtige Funktion. Er warnte vor Gefahren, half bei der Suche nach Nahrung und ist hilft nach wie vor dabei, genießbare Lebensmittel bereits vor dem Verzehr von ungenießbaren Lebensmitteln zu unterscheiden. Das ist zugleich der Grund, warum Kinder, die noch nicht gelernt und erfahren haben, dass z.B. Bier oder Stinkkäse ein durchaus angenehmes Genussmittel darstellen kann, vorerst einmal nichts mögen, was vergoren ist oder stinkt. Erst über eine positive Erfahrung oder die Gewöhnung ändert sich ihre ablehnende Haltung. Ein entscheidender Vorteil war der Geruchssinn früher auch bei der frühzeitigen Erkennung drohender Gefahren und für den Kampf z.B. beim Erriechen des Angstschweiß anderer Menschen.

 

Was uns zumeist gar nicht bewusst ist: Auch die Partnerwahl ist vom Geruch abhängig. Wenn "die Chemie stimmt" und man sich im wahrsten Sinne des Wortes "riechen kann", finden Menschen zusammen und paaren sich. Körpereigene Duftlockstoffe verstärken dieses Verhalten. Wenn der Geruch nicht stimmt, was ein Signal für nicht zum Partner passendes Erbgut oder nicht vorhandene "Paarungsbereitschaft" darstellt, finden Partner nicht zusammen oder trennen sich entsprechend. Das kann auch passieren, wenn der körpereigene Duft durch bestimmte Medikamente z.B. die Pille plötzlich verändert wird und der Körpergeruch kommuniziert: "Ich bin besetzt und habe anderes im Sinn."

 

Da sich die Wahrnehmung, die für die Paarung gilt, auch auf andere Beziehungen z.B. das Eingehen beruflicher Beziehungen (Arbeitsverhältnis) übertragen kann, beeinflusst er auch hier die Urteilskraft und Entscheidung. 

 

Forschungen an Mäusen und anderen Säugetieren zeigen, dass Partner bevorzugt werden, deren Erbgut sich möglichst stark vom eigenen unterscheidet. Dadurch wird sichergestellt, dass die Nachkommen mit besonders "guten" Genen ausgestattet werden, die u.a. auch für ein intaktes bzw. widerstandsfähiges Immunsystem und die entsprechende Leistungsfähigkeit sprechen. Bei Menschen hat man z.B. herausgefunden, dass enge Verwandte sich im Erwachsenenalter oft "nicht riechen können", woraus man schließt, dass dadurch Inzest vermieden werden soll, allein schon deshalb, weil die Gefahr von Gen-Defekten bei möglichen Kindern besteht.

Akute Abneigungen und solche, die man im Laufe der Zeit entwickelt, beeinflussen ebenfalls über den Geruchssinn unsere Beurteilung und Entscheidung. So wird z.B. von Frauen berichtet, die den Körpergeruch oder das Rasierwasser ihres Ex-Mannes oder eines ungeliebten Chefs nicht ertragen können und ihre Einstellungen dann auf Personen projezieren, die einen ähnlichen Duft haben.

 

Für Menschen ist der Geruchsinn weniger für die Orientierung wichtig, als für Tiere, allein deshalb, weil optische Eindrücke bei Menschen andere Sinneseindrücke überlagern. Für blinde Menschen spielen Gerüche hingegen eine außerordentlich wichtige Rolle für die Orientierung.


Neben der Verführung durch optische Sinnesreize handeln Menschen "immer der Nase nach", nur mit dem Unterschied, dass es einem weniger bis gar nicht bewusst ist. Der Geruchssinn schützt nicht nur vor verdorbenem Essen oder anderen Gefahren wie Gas, Rauch und Feuer; er hat wie gesagt großen Einfluss auf die Partnerwahl und das soziale Umfeld, wo insbesondere über unseren Geruchssinn recht schnell ein nachhaltiger erster Eindruck entsteht.

 

Von allen menschlichen Sinnen ist der Geruchssinn der unmittelbarste: Während visuelle, akustische oder haptische Reize vorab in der Großhirnrinde verarbeitet werden müssen, wirken Gerüche und Düfte unmittelbar auf das limbische System. Hier werden Emotionen verarbeitet und Triebe gelenkt, die entscheidender sind als Motive und sachliche Abwägungen.

 

Wenn man zum ersten Mal einen Raum betritt oder einen unbekannten Menschen trifft, entscheidet unbewusst der Geruchssinn, wie dieser Eindruck zu werten ist.
Er gleicht wahrgenommene Düften und Gerüche sofort mit unseren Erfahrungen bzw. Erinnerungen ab und kann einen sofort in eine lang zurückliegende, längst vergessene Situation zurückversetzen, in der man den gleichen Duft oder Geruch zum ersten Mal wahrnahm. Erinnerungen, die tief in seinem Unterbewusstsein verschüttet waren, kommen wieder hervor und lassen Bilder entstehen, die wiederum an bestimmte Stimmungen bzw. Gefühle gekoppelt sind (Proust-Effekt).

 

Je nachdem, mit welcher individueller subjektiver Erinnerung ein neuer Geruchs-Reiz nun verknüpft wird, entsteht ein bestimmtes Gefühl, auf dem dann unsere Beurteilung und Entscheidung basiert - und ebenso unser eigenes Verhalten.

 

Spezielle geruchliche Schlüsselreize

Die Einschätzung und Entscheidung von Menschen fokussiert sich zumeist auf sogenannten Schlüsselreize. Kurz gesagt, sind das Reize, die wir selektiv wahrnehmen und für die wir besonders empfänglich sind. Ebenso ist es bei der sprichwörtlichen "Chemie". Diese sogenannte Chemie, zu der im wahrsten Sinne auch solche Substanzen gehören, die unser Gehirn und unseren Körper steuern, gibt es tatsächlich. So kann bereits ein körpereigener Geruch bzw. Duftstoff oder ein bestimmtes Parfum unsere Wahrnehmungs-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit beachtlich trüben. (Detail-Infos)

 

Komplexität 
Obwohl Gerüche in der Regel sehr komplex sind und sich oft aus mehreren hundert Elementen zusammensetzen, findet unser Gehirn, die passende Assoziation und kann sogar über 10000 verschiedene Duftnoten voneinander unterscheiden. Es gibt sogar Menschen, die ihre Wahrnehmung über gezielte Duft-Erfahrungen deutlich steigern können.

 

Nerven
Beim Riechen spielen zwei Nerven eine Rolle: Der Olfaktorius, der das eigentliche Riechen steuert und der Trigeminus, der schmerzempfindlich ist und auf beißende Gerüche reagiert. Das Besondere: Der Geruchssinn ist eng mit dem Geschmackssinn verknüpft und schafft erst dadurch erst ein differenziertes Geschmackserlebnis. Das Gegenteil kennt wohl jeder z.B. von einem Schnupfen bzw. Erkältung: Wenn wir nicht gut riechen können, schmecken wir kaum etwas.

 

Überempfindlichkeit
Manche Menschen sind in Bezug auf bestimmte Gerüche überempfindlich und reagieren entsprechend. So sind z.B. werdende Mütter - vor allem im ersten Drittel der Schwangerschaft (wahrscheinlich zum Schutz des werdenden Kindes) - extrem geruchsempfindlich, während sich z.B. Raucher an den beißenden Geruch von Zigaretten gewöhnen und ihn irgendwann sogar als sehr angenehm empfinden.

 

Werdende Nichtraucher hingegen reagieren ebenso überempfindlich auf Tabak-Rauch wie Menschen mit einer Abneigung vor Rauch, dem Rauchen an sich und vor Rauchern als Mensch. Auch andere Abneigungen sind beannt z.B. gegen bestimmte Düfte z.B, bei Parfüms. Sie führen bei einigen Menschen zu extremen Abneigungen, zu Aggressionen und manchmal sogar bis zu Übelkeit und Erbrechen. Das liegt nicht nur an einem speziellen Geruch oder Duft als solcher, sondern daran, mit welchen Erfahrungen und Gefühlen bzw. mit welchen Erinnerungen der jeweilige Geruch vernüpft wird.


Abbau des Riech-Vermögens und Folgen des Abbaus
Mit zunehmendem Lebensalter (ca. ab dem 40. Lebensjahr) lässt der Geruchssinn allmählich nach, ebenfalls aufgrund Gift- und Umwelteinflüssen (Rauchen, häufiger Kontakt mit Chemikalien etc.). Menschen, die ihren Geruchssinn (z.B. aufgrund zerstörter Geruchsnerven) verloren haben, leiden häufig an psychischen Problemen und ggf. an Waschzwang, an chronischen Entzündungen und Allergien, aber auch an Hirntumoren oder Alzheimer-Erkrankungen, wobei auch ein umgekehrter Zusammenhang bestehen kann.  

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