Hintergrundwissen "Denk-Schemata und ihre Auswirkung auf die Wahrnehmung"

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Wir haben in unserem Leben bereits viel gelernt und das Gelernte oft wiederholt.
Das Gelernte hat sich eingeprägt und verfestigt. Mit Hilfe unserer Gedanken, die dem Denken entspringen, formen wir Bilder und konstruieren Zusammenhänge. Dies erfolgt in Form von Denk-Prozessen, die auf bestimmten Denk-Schemata basieren, das bestimmten Mustern und Denk-Ritualen folgt. Folglich denken wir stets nach Denk-Schemata und formen daraus unsere Denk-Konstrukte bzw. Ergebnisse.

 

Was wir bereits kennen, halten wir für richtig und unumstößlich, insbesondere dann, wenn bzw. weil wir der Auffassung sind, dass andere auch so denken und handeln (z.B. Soziale Wahrnehmung). Wir bilden unsere eigene Meinung, Wahrheit und Erkenntnis und daraus unseren Glauben und entsprechende Glaubenssätze.

 

Auf dieser Basis - der Basis des Gelernten, unserer Selbsteinschätzung, unseres Selbstbildes und unserer eigenen Überzeugung - bilden wir uns weitere Meinungen, folgen Annahmen und stellen Erwartungen an die Dinge und Personen unserer Umwelt. Auf der Basis dieser eigenen sozialisierten Denkmuster schätzen wir neue Informationen ein, nehmen dadurch von vorne herein nur einseitig wahr und gleichen neu eintreffende Informationen mit unseren Erwartungen ab.

 

Dadurch verformt sich die Sichtweise, die Denkweise und die Beurteilung.

Neues, was wir noch nicht kennen und uns daher unlogisch oder unbrauchbar erscheint, wird z.B. als befremdlich, falsch, verrückt, dümmlich, überkandidelt und bedrohlich angesehen und daher abgelehnt, negiert und schlecht beurteilt. 

 

Manchmal verläuft diese Wahrnehmung aber auch genau umgekehrt und wir finden dann gerade das Neue und Andersartige interessant und anziehend und beurteilen es im Verhältnis besser, je nachdem wie wir gepolt sind, welche Erwartungen wir stellen und um welchen Lebensbereich es geht.

 

Darüber hinaus bilden wir Denk-Schemata heraus, die informative Lücken (wenn auch fehlerhaft) füllen (z.B. Reconstructive memory-effect), automatisch weiter wirken (z.B. Preseverence effect), sich verkoppeln (Attribution / Fundamentaler Attributionsfehler) und sich verselbstständigen (z.B. Self-fulfilling propecy) können. Unsere Denk-Schemata wirken automatisch, unkontrolliert und ohne mentalen Aufwand oder kontrolliert und bewusst (rationales schlussfolgerndes Denken). Auch können sie von außen aktiviert werden (z.B. Priming).

 

Wie auch immer: Stets wirken unsere Denk-Schemata. Sie organisieren unser Wissen (z.B. über Dinge, Sachverhalte, einzelne Personen, Gruppen, soziale Rollen, sich selbst), haben Einfluss auf die Informationsaufnahme, die Informationsentschlüsselung (Encodierung), die Informationszuordnung (Kategorisierung) und den Abruf von Informationen (reconstructructive memory). Sie strukturieren die Welt um uns herum und beeinflussen unsere Urteile und Entscheidungen.

 

Welche Denk-Schemata konkret angewandt werden, hängt auch von ihrer Verfügbarkeit ab. Während einige Informationen permanent verfügbar sind, gibt es Informationen, die kurzfristig aktiviert und/oder verstärkt werden. So wird z.B. beim Priming der Prozess der Verfügbarkeit durch unmittelbar vorausgehende Erfahrungen erhöht und kurzfristig bestimmte Schemata aktiviert.

 

Denk-Schemata dienen auch dazu, die permanent einströmenden Informationen zu selektieren, zu reduzieren und zu ordnen, damit wir mit der Masse der Informationen nicht völlig überfordert werden. Denk-Schemata helfen, Zeit zu sparen und bringen Struktur in unser Denken, leider nicht immer die richtige, denn Denk-Schemata können falsch sein oder Fehler geradewegs implizieren. Sie verzerren unsere Wahrnehmung, ordnen Informationen ggf. in falsche Schubladen ein, bauen Vorurteile auf und führen zu selbstwertdienlichen Verzerrungen oder selbsterfüllenden Prophezeiungen, die ggf.in die falsche Richtung gehen.

 

Da es zu den Grundbedürfnissen von Menschen gehört, die Richtigkeit der eigenen Verstandes-Logik aufrechtzuerhalten, um nicht etwa an sich selbst, seinem Verstand und seinem Weltbild zweifeln zu müssen, nutzen wir Denk-Schemata auch, um unser Handeln und die Dinge um uns herum so auszulegen, dass sie mit unserem Weltbild übereinstimmen. Bei der Beobachtung und Wahrnehmung setzt der Mensch daher gezielt kognitive Ressourcen ein, um die ihm zur Verfügung stehenden Informationen so zu ordnen und zu interpretieren, dass sie seiner eigenen Logik möglichst nicht widersprechen. 

 

Schließlich geht jeder Mensch naiv davon aus, dass er sich und seine Umwelt realistisch und richtig einschätzt. Entstehen Widersprüche, werden die - aus der mit dem eigenen Verstand und Weltbild disharmonierenden Wahrnehmung resultierenden - Denkprozesse eingestellt und / oder so umgeleitet oder uminterpretiert, dass sie zum eigenen Weltbild passen. Insofern suchen, verarbeiten und interpretieren wir (auch selektiv) bestimmte Informationen, um bestimmte Urteile und Entscheidungen zu treffen. Dies bezieht sich sowohl auf das unbewusste automatische Denken, als auch auf das bewusst kontrollierte rationale und schlussfolgernde Denken (Social-Cognition-Effekt). Denk-Schemata helfen uns unser Weltbild so zu konstruieren, dass es zu uns passt. 

 

Auch implizierte Persönlichkeitstheorien sind Schemata. Sie verknüpfen verschiedene Persönlichkeitseigenschaften miteinander, obwohl diese in keiner ursächlichen bzw. realen Verbindung miteinander stehen. Hier sorgen abgerufene Denk-Schemata dafür, dass wir von einer Eigenschaft automatisch auf eine andere Eigenschaft schließen.

 

Als Beispiel dafür sei der Effekt der Stereotypisierte Kopplung genannt. Bei diesem Beurteilungs- und Wahrnehmungsfehler werden Charaktereigenschaften, die in keinem real abhängigen Zusammenhang stehen, mit einer entsprechend logisch scheinenden unterstellten Annahme und Erwartung automatisch miteinander verknüpft. Wer z.B. sauber und gepflegt ist, ist angeblich zugleich auch höflich. Wer höflich ist, ist auch gebildet. Wer eine Brille trägt, ist intelligent, Wer einen Bart trägt, ist konservativ. Wer konservativ aussieht, ist gemütlich. Wer gemütlich ist, arbeitet langsamer etc. Da die Stereotypisierte Kopplung auf einer unterstellten Erwartung basiert, zählt sie auch zu den Erwartungsfehlern.

 

 

 

Weitere Informationen
Beobachtungs-, Beurteilungs- und Wahrnehmungsfehler
Denken/Denkfehler